„Die Gerätchenfrage“


Bericht von Marita Kasischke, Heidenheimer Zeitung vom 07.10.2001 18:07 Uhr


Martin Buchholz in der ARCHE



Ach, du göttlicher Hintersinn! Sternstunden erlebt er, sobald Satiriker Martin Buchholz die Bühne betritt. Und das tat er am Sonntagabend in der Arche in Dischingen, wo sich die Besucher drängelten, um sein Programm „Männer und andere Geschlechtskrankheiten“ zu erleben. Wobei Buchholz in diesem Titel gehörig tiefstapelt – die Thematik des zweistündigen Programms lässt sich schon eher mit der Buchholz’schen Schlusslyrik „Was Bullrich-Salz für die Verdauung, ist Buchholz für die Weltanschauung“ umschreiben.

Denn nichts lässt er aus, über Gott und die Welt zieht er hin und her, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, und man muss als Gast schon höllisch aufpassen, um auch nicht eine einzige seiner in Sekundenschnelle und messerscharfer Zielgenauigkeit abgefeuerten Wortspitzen zu verpassen.

Es wäre zu schade um diese fein geschliffenen Wortspiele und Wortklaubereien, die der Berliner in schönster Schnodderschnauze niederprasseln lässt. Dabei liegen sie oft schon auf der Hand, aber eben nur Buchholz hebt sie auf und hält sie uns vor: Hätten wir uns nicht alle schon längst darüber wundern können, dass eine Ehe bereits bei ihrem Beginn geschlossen wird und eben nicht geöffnet? Oder dass Gegenwärtiges – rein sprachlich betrachtet – ganz zwangsläufig auch „Widerwärtiges“ sein muss? Jedes Wort des nach eigener Aussage radikalen Feministen und Frauenverstehers sitzt, auch scheinbare Ausschweifungen rühren letztlich doch zum eigentlichen Punkt zurück – und das Publikum staunt begeistert.

Von Adam zum Internet, vom Rinderwahn zurück zum Hamlet, von Gilgamesch zur Bibel, von Shakespeare zu Merkel, über Joschka Fischers Langstreckenläufe als Gerippe zurück zu den Wurzeln, denen des Uraffen nämlich, nicht ohne dabei kurz mal eben geistreich Prometheus, Darwin und das Grundgesetz zu streifen.

Ohne Frage erwartet der Kommentator des Weltgeschehens von seinem Publikum den selben Informationsstand, den er aufzuweisen hat und hat doch Erbarmen mit dem Durchschnittsbürger, der vorzugsweise Privatsender schaut: Auch für ihn sind Gags dabei – und Buchholz schafft es, auch vergleichsweise billige Pointen auf hohem Niveau zu präsentieren.

Und dazwischen immer wieder das alte Thema: Mann und Frau. Der neuzeitliche Mann, so nimmt Buchholz als ehemaliger Wissenschaftsjournalist die Geschlechtsgenossen in Schutz, ist eben gerade mal zwei Schritte vom Neandertaler entfernt und sei stets nur von einem Verfolgungswahn getrieben: „Wie steht’s denn so?“, das Gerät – und damit muss er sich immer wieder aufs Neue der „Gerätchenfrage“ stellen.

Da hilft auch kein Beziehungsgespräch – und sollte dafür mal Themenmangel herrschen, schlägt der beziehungserprobte Buchholz vor, doch einfach die Frage „Sag mal, hast Du was?“ in den Raum zu stellen. Funktioniert immer – garantiert. Ob auch mit so viel Spaß wie bei Martin Buchholz? Zweifel sind berechtigt, denn – so zeigt uns schon der paradiesische Ursprung der Geschlechter – die Geschichte von Mann und Frau ist die Geschichte von Erschöpfer und Erschöpften.

Erschöpft ist auch das Publikum nach zwei Stunden Jeder–Schuss–ein–Treffer–Programm – puh, das muss doch alles erst mal verarbeitet werden!

Keine Spur ermüdet wirkt Martin Buchholz, der auch noch Großzügigkeit in Sachen Zugaben walten lässt – fast so, als ob er sich dran freue, seinen atemlos lauschenden Gästen bei allem Gelächter doch eine Menge Hausaufgaben mitgegeben zu haben …