Spiel mir das Lied von Santa


Bericht von Marita Kasischke, Heidenheimer Zeitung vom 10.12.2014 15:56 Uhr


Pointen und Piano in der Arche: Weihnachtstrubel mit Armin Fischers Expertenextrakten


Produziert ganz genüsslich schiefe Töne: Armin Fischer sorgte in der Arche für ebenso virtuos wie geistreich unterhaltsamen Weihnachtstrubel.
Produziert ganz genüsslich schiefe Töne: Armin Fischer sorgte in der Arche für ebenso virtuos wie geistreich unterhaltsamen Weihnachtstrubel.


Am Anfang war die Blockflöte. Weil ja kein Heiligabend ohne das ebenso beherzte wie ungeübte Blockflötenspiel der lieben Kleinen denkbar ist, gab auch Armin Fischer am Sonntagabend in der Arche Dischingen gleich vorneweg eine Kostprobe hiervon – ganz stilecht mit Gilfen und Vergreifen.

Und da merkte das Publikum gleich den Unterschied zwischen lieben Kleinen und einem teuflischen Großen: Erstere mögen aus Nervosität versehentlich schiefe Töne produzieren, Armin Fischer tat dies ganz gezielt, genüsslich und gekonnt. Sehr gekonnt.

Wie auch überhaupt seine Vir­tuosität enorm ist, die er freilich vor allem und zuvörderst als Pianist bewies, wenn er Tschaikowskys Klavierkonzert munter ein „Süßer die Glocken nie klingen“ unterjubelte oder Wagners „Treulich gerührt“ zu „O Tannenbaum“ umfunktionierte, und er Beethovens „Für Elise“ auf ein munteres rotes Pferd setzte – oder eben auf „Milord“ je nach Zuhörer.

Das Vergnügen, das er dem Pu­blikum mit seinen genreübergreifenden Zwangszusammenführungen beschert, ist ein großes, und ganz offensichtlich hat auch Armin Fischer großen Spaß an seinen Variationen, zumal ihm alles höchst lässig aus den Fingern zu fließen scheint.

Er, der Jimi Hendrix der Melodica, entlockte seinem per Windkraft betriebenen Keyboard, herkömmlich Melodica genannt, nicht nur Bachs „Air“ oder Gainsbourgs „Je t’aime“ mit den nicht jugendfreien Geräuschen, sondern auch noch die passenden Melodien zu BSE, EHEC und ADHS – als läge bei Krankheitskürzeln Wert darauf, dass diese Notenbezeichnungen verkörpern.

Er zog Vergleiche zwischen den sehr getragenen feierlichen deutschen Weihnachtsliedern und den auch mit zwei Promille intus noch
singbaren amerikanischen schmissigen Weisen, ließ hören, wie unterschiedlich „Santa Claus is coming tb town“ klingen kann, je nachdem, ob Michael Buble oder Justin Bieber singen, und welch herrliche Westernmelodie sich darin verborgen hält: „Spiel mir das Lied vom Tod“ nämlich.

Dass Western und Weihnachten auf eine besondere Weise verbunden sind, zeige ja schließlich die Liedzeile aus „Es ist ein Ros‘ entsprungen“, in welcher kein geringerer als Jesse James offensichtlich das entsprungene Ross einfangen muss.

Dazwischen gab’s Gereimtes aus der Feder von Fischer, wie etwa das Gedicht vom „Nebel aus der Sicht eines Exhibitionisten“, eine kurze, aber „O Quäl! 0 Pein!“, schmerzvolle Winteroper mit nicht singender, aber steppender Winterkönigin, Eremit mit Gefolge und dem Jägersbursch mit vor geballter Männlichkeit strotzenden Jagdhornmotiv, das der Titelmelodie von „Bonanza“ nicht unähnlich war.

Er machte den Tai-Chi-Chopin-Pianist genauso wie den fröstelnden Beethoven-Interpreten und erklärte die Taktik des souveränen

Weiterspielens auch bei Fehlern: „Wenn man einen Fehler oft genug wiederholt, dann wird er zur ver­trauensbildenden Maßnahme. Das hab ich von Politikern gelernt“, scherzte Fischer – und baute munter Fehler in schwierige und leichte Passagen, die ihm ohnehin lieber sind, sodass er gern auf die schwierigen verzichtet, was manche Faul­heit nennen, er aber nennt es Expertenextrakt. Und diese Extrakte gab es zum Schluss noch in einem opulenten Gesamtwerk ganz nach des Publikums Geschmack.

Die von Zuhörern zugerufenen Lieblingstitel vermengt er in Windeseile zu einer köstlichen Kom­position aus „Satisfaction“, „Bolero“, „Take five“, „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ und „Bohemian Rhapsody“, und zwar so leicht und perlend und fließend, wie es nur ein echter Könner hinkriegen kann.

Das war großartig, und da gaben nicht wenige ihren Applaus im Stehen. Allerspätestens da wurde der Wunsch laut, Armin Fischer möge recht bald wiederkommen. Und zwar nicht nur zur Weihnachtszeit. Und gerne auch mit gilfender Blockflöte.