Porsche, Villa, Burnout


Bericht von Marita Kasischke/Heidenheimer Zeitung vom 23.09.2020 08:00 Uhr


Schenkelklopfer? Fehlanzeige. Comedy? Nein. Kabarett vom Feinsten servierte Stefan Waghubinger im „Arche-Ersatz“ Egauhalle, und zwar solches der tiefschwarzen Sorte. Der Österreicher und studierte Theologe schlüpft in seinem Programm „Ich sag’s jetzt nur zu Ihnen“ in die Rollen von Mieter Dieter, pleite und von Ehefrau verlassen, und seinem Vermieter Uwe, dem Bauunternehmer, der alles hat: Villa, Porsche, Burnout, alles hart erarbeitet.

Beide Figuren kommen so glatt und gefällig daher, dass die 116 Zuhörer in der ausverkauften Halle schon ganz tief blicken mussten, um die Abgründe in ihnen wahrzunehmen und den Widersprüchen in Rede und Handeln auf die Spur zu kommen.

Monopoly als Therapie

Nicht immer werden sie so klar offenbart wie im Falle des Parketts, das Bauherr Uwe doch nur vor den Waldbränden schützt, denen sie als Baum ausgesetzt wären, oder der Mieten, die nur deshalb so hoch sind, damit mehr Geld zum Spenden zur Verfügung steht, ein Motiv, das im Laufe der Geschäfte allerdings schon mal in Vergessenheit geraten kann, vor allem, wenn ein Porsche lockt. Er gibt jovial den Kunstfreund, ist aber nicht abhängig, und Golfplätze machen ihn nervös ob so viel unbebauten Grunds in bester Lage. Die Therapie gegen Burn­out lautet: spielen, um nicht an Geld und Häuserbauen zu denken. Was spielt er also? Richtig: Monopoly.

Wasser und Wein

Stefan Waghubinger gibt den Rechtfertigungen beider Personen einen scheinbar harmlosen Plauderton, der die Pointen eben nicht auf dem Silbertablett serviert. Die Plaudereien sind lang und ausschweifend, gekonnt mit Pausen versehen und nicht immer mühelos zu verfolgen. Es lohnt sich aber: Denn zum Vorschein treten zwei Figuren, die Wasser predigen und Wein trinken, unreflektiert und stets das eigene Tun so verdreht darstellen, dass der Egoismus noch irgendwie politisch korrekt und gesellschaftskonform hingebogen wird. Und dabei finden sich aberwitzige Stellen, noch mehr aber solche, die so subtil und bitterböse sind, dass an lachen nicht zu denken ist.

Die eindringlichsten Momente aber finden sich fast ganz am Ende des Programms, das am Sonntag seine Deutschlandpremiere hatte: Stefan Waghubinger – und in diesem Fall der echte Stefan Waghubinger ohne jede Rolle – berichtet davon, wie sein taubstummer Vater der Euthanasie der Nazis entkam. Das ging unter die Haut und war auch nicht wieder abzuschütteln.

Genauso verhielt es sich mit den Kindheitserinnerungen Wag­hubingers an die Bäckersfrau, die an niemandem auch nur ein gutes Haar ließ und daher von jedermann für einen bösen Menschen gehalten wurde, bis nach Jahren ihr heldenhafter Widerstand gegen die Nazis bekannt wurde. „Vielleicht lässt man das mit den Vorurteilen einfach sein“, schloss Waghubinger sein Programm und hatte damit ein weiteres Mal wirkungsvoll den Spiegel vorgehalten.