Je größer der Dachschaden …


Bericht von Marita Kasischke/Heidenheimer Zeitung vom 10.02.2015 09:35 Uhr


Kabarett in der ARCHE: HG. Butzko erschütterte Zwerchfell und Verstand


„Je größer der Dachschaden, desto schöner die Aussicht zum Himmel...“: HG. Butzko präsentierte in der lange schon ausverkauften ARCHE sein Programm „Supervision“.
„Je größer der Dachschaden, desto schöner die Aussicht zum Himmel…“: HG. Butzko präsentierte in der lange schon ausverkauften ARCHE sein Programm „Supervision“.


„Supervision“ heißt eigentlich Überblick. Weil Kabarettist HG. Butzko aber alles auseinander nimmt, tat er dies auch gleich mit dem Titel seines Programms, in dem der Überblick zur „Super Vision“ wird. Und mit diesen Visionen trat er am Sonntagabend vor sein Publikum in der ARCHE Dischingen, um erst einmal eine Frage zu stellen: „Warum?

Konkret fragte er nach den Gründen für den Besuch eines politischen Kabaretts, wenn man doch, um Lachen zu können, auch direkt Politikeraussagen anhören könne. Beispiele dafür hatte er zu Hauf in petto: Angela Merkel etwa, die angesichts ihres seitens der NSA abgehörten Handys ein müdes „Das geht gar nicht“ verlauten ließ. Joachim Gauck, der ohne die Bürgerproteste in der DDR gar nicht Bundespräsident sein könnte und sich nun gegen Bürgerproteste ausspricht. Frank-Walter Steinmeier, dessen Aussagen zwar jeden Arbeitgeber erfreuen, Willy Brandt jedoch im Grabe rotieren lassen.

Und wiederum Angela Merkel, die den Griechen empfiehlt, es zu machen wie die Deutschen, wobei zu mutmaßen sei, dass sie damit nicht Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und Berliner Flughafen in eine, bei welchem es inzwischen billiger sei, die Stadt Berlin einfach an einen schon funktionierenden Flughafen zu versetzen.

Und dabei wirkte der Gelsenkirchener so, als käme er gerade von der Schicht im Schacht und trinke noch eben sein Feierabendbier, so wie er da stand auf der Bühne im ausverkauften Saal und in allerschönster Ruhe zum gekonnt gesetzten Rundumschlag ausholte.

Das ging in alle Richtungen, Politiker jeder Couleur, Veganer, Grüne, religiöse Fanatiker, Welt­verbesserer, Lehrer, Banker, Beamte, Polizisten, Putin und Edward Snowden, dem Staatsfeind, mit dem die halbe Welt sympathisiert und der sich vor einem Friedensnobelpreisträger verstecken muss, was wiederum für Joachim Gauck Sinn macht, weil, wie er sagte, Verträge nun einmal gehalten werden müssen – ein Satz, so Butzko, für den Christoph Daum mindestens zur Haarprobe gezwungen worden wäre.

Butzko nimmt keinerlei Blatt. vor den Mund, schnoddert sich in schönster Deutlichkeit in alle Missstände und gegen alle die Redenschwinger, die selbst nicht beim Wort genommen werden wollen, nach dem Motto „Wer den größten Dachschaden hat, hat die schönste Aussicht zum Himmel“.

Keinen nahm Butzko aus, nicht im Publikum, nicht sich selbst: „Mit Kapitalismuskritik lässt sich prima Geld verdienen.“ Und auch die Zuhörer haben trotz großen Amüsements immer wieder Anlass, sich selbst an die Nase zu fassen.

Unbeschwert zu genießen war dieses Kabarett jedenfalls nicht. Zu sehr legte Butzko den Finger in blutende Wunden, und dies noch schön und anmutig zu umschreiben, das ist nicht sein Ding.

Seine Erkenntnisse knallt er seinem Publikum direkt vor die Füße, messerscharf formuliert, und er ist damit ganz sicher nicht derjenige, der Satireansprüche für Kleinkunstgourmets befriedigt, sondern es vielmehr auf den Verstand abgesehen hat – das Zwerchfell zu erschüttern, scheint dabei ein Nebenprodukt zu sein, das sich freilich durchweg einstellt.

Insofern dient H.G. Butzko durchaus dem, was er als mögliches Motiv für den Besuch politischen Kabaretts in Erwägung zieht:

der Burnout-Prophylaxe nämlich. Und doch verlässt man ihn und seinen Überblick über die nicht wirklich zufriedenstellende Gesamtsituation mit mulmigem Gefühl: Der Mann hat Recht. Und kann sich eben nicht damit trösten, er mache nur Spaß.