Für Bernd Kohlhepp war es der erste Auftritt vor Publikum seit Beginn der Corona-Pandemie. Sage und schreibe vier Monate lang ist der sonst bekanntlich als Kabarettist dauerbeschäftigte Mann also nicht mehr unter die Leut’ gekommen. Dementsprechend nervös schlich Hämmerle, Kohlhepps allseits bekannte Kunstfigur, hinter der Bühne der Dischinger Egauhalle hin und her, bevor er von „Arche“-Chefin Inge Grein-Feil hervorgelassen wurde.
Wie jedermann weiß, ist Hämmerle aus Bempflingen ein ausgesprochener Warmblüter, dessen Puls sich darüber hinaus auch immer kurz vor 180 befindet. Insofern bildete der Kaltstart nach längerer Bühnenabstinenz für Kohlhepp kein Problem.
Im jeweils 75 Köpfe zählenden Publikum hatten sich bereits wieder die üblichen Verdächtigen eingefunden. Menschen, die zum völligen Unverständnis Hämmerles keinen Daimler fahren, sondern ausgerechnet Skoda. Auch die chronischen Zuspätkommer hat Hämmerle gefressen. Und überhaupt rein gar nichts hält er von Leuten, die sich mit den Warnwesten aus ihren Autos verkleiden, um die Abendkasse zu umgehen.
Der sich selbst kleidende Gatte
Unterdessen versuchte der Bempflinger, chic im grasgrün leuchtenden Jackett und mit nagelneuer Kopfbedeckung, mit humorigen Liedern in schwäbischer Mundart Stimmung ins corona-erstarrte Publikum zu bringen, das sich sehr zu Hämmerles Missvergnügen auch heute wieder paarweise eingefunden hatte. So wollte er gleich wissen, ob sich der Ehemann heute Morgen wohl selbst angezogen habe oder ob er habe nehmen müssen, was ihm von der Ehefrau herausgelegt worden war.
Der Antwort, dass der Gatte hierfür selbst verantwortlich sei, begegnete Hämmerle mit äußerster Skepsis. Schließlich lenkte er ein und empfahl fürs nächste Mal, wenigstens das Licht anzumachen.
Dass mit Hämmerle nicht immer gut Kirschen essen ist, wissen nicht nur seine Nachbarn in Bempflingen wie der „Brotbäck“, sondern besonders auch die Strümpfelbacher, mit denen Hämmerle schon seit Jahrzehnten in Fehde liegt.
Dazu muss man wissen, dass für Hämmerle im lediglich 15 Kilometer südlich gelegenen Reutlingen bereits das feindliche Ausland beginnt und alles, was nördlich des Neckars liegt, bei ihm ohnehin grundsätzlich Verdacht erregt. So wird Stuttgart weiträumig umfahren, Strümpfelbach und Backnang sind bereits absolute No-go-Areas.
In seiner Freizeit beschäftigt sich Hämmerle gerade intensiv mit seinem Nachbarn, den er im Verdacht hat, ein Stalker zu sein: „Ich lauere manchmal tagelang darauf, bis er wieder auftaucht.“
Eher gereizt als reizend
Irgendetwas irritiert Hämmerle immer bis zur Weißglut. Hämmerle war schon ein Wutbürger, bevor es den Begriff überhaupt gegeben hat. Er kann reizend sein und seinen grobkörnigen Charme durchaus gekonnt ausspielen. Meistens ist Hämmerle aber mehr gereizt als reizend.
Und immer, „wenn grad niemand herguckt“, wird Hämmerle sozusagen identisch mit seinem wahren Selbst, wobei man auch nicht gerade behaupten kann, dass er seinem Benehmen großen Zwang antut, wenn er gerade unter Beobachtung steht. Solange es sich nicht gerade um Reutlinger oder Strümpfelbacher handelt, kann mitunter auch ein Anflug von Toleranz in seinem Charakter aufscheinen.
Die Interaktion von Dischingen und Hämmerle klappte jedenfalls auf Anhieb wieder mal vorzüglich.