Der mit dem Kopf tanzt …


Bericht von Dr. Manfred Allenhöfer, Heidenheimer Neue Presse vom 04.06.2004 17:15 Uhr


„Im Ernst“, ha: Der (auch preis-) ausgezeichnete Wiener Kabarettist Severin Groebner begeisterte in der ARCHE.



Für manche seiner Figuren ist es eine „Augenkrankheit“, für den 34-jährigen Wiener Severin Groebner aber Programm und (Selbst-) Verpflichtung: der „weite Horizont“. Ein mehrfach ausgezeichneter Kabarettist war in der ARCHE – mit seinem sehr anspruchsvollen und gleichwohl unverkopft ansprechenden „Im Ernst“-Programm. Ganz streng, ganz durchgeformt und unspontan – und dennoch locker, macht er banale Sex- und Partnerprobleme ebenso szenisch wie Attila oder einen KZ-Insassen(!). Brillant, streckenweise atemberaubend.

„So gut, wie die Zeiten schlecht sind, bin ich gar nicht“, ironisiert sich Groebner gleich zu Beginn. „Was bin ich schon? Ein Gaukler“ – und damit steht er in einer Tradition, die er scheinbar mühelos immer wieder szenisch herbei zitiert – vom Minnesänger bis zum Dummen August.
Aber das ist nur eins. In seinem zweieinhalbstündigen (!) Programm ist er, der Groebner Severin, präsent mit seinen manchmal so unglaublich-glaubhaft trivialen Alltagsproblemchen; man kennt das ja. Dann, zweite Ebene, gibt er die Figur des „Hans Wurst“, die nimmer träumen kann und das jetzt endlich lernen will. Und da ist dann drittens nichts weniger als das Panorama der Weltgeschichte – und immer wieder erfolgreiche Versuche von Menschen, sich mittels Humors deren Gräuel möglichst von Leib oder wenigstens Geist oder Seele zu halten.
Überhaupt: Geist. Mit Groebner kommt da ein ausgesprochen kluger und gebildeter Mensch auf die Bühne der ARCHE, ein homo academicus durch und durch, der aber dennoch locker sein Dischinger Publikum zu begeistern weiß. Schenkelklopfer bietet er keine – aber eine so begeisternde, manchmal tiefschwarze Hintersinnigkeit auch bei vermeintlichen Vordergründeleien, dass sein wohl eher untypisches Publikum ihn nicht gehen lassen möchte.
Köstlich beispielsweise, zunächst, sein Exkurs über die geschmacklose Tomate und den ausgebrochenen „Tomatismus“ unserer Gesellschaft – was dann umkippt ins gespannt-atemlose Zuhören, als Jesus in Erscheinung tritt und sein „Jüngstes Gericht“ backt. Das ist grenzwertig blasphemisch – aber Groebner schafft es, in gewagt geistreichen Sprachbildern, das Publikum zu bannen. Auch seine katholischen Fans zuckten und muckten hier nicht.
In solchen Momenten zeigt Groebner, wie klug und wirkungsbewusst er gaukeln kann. Ganz im Ernst komisch.