Bitterböse Stubenmusi‘


Bericht von Annette Grüninger, Heidenheimer Neue Presse vom 18.03.2008 00:00 Uhr


Musikkabarettist Josef Brustmann in der ARCHE


Dem sympathischen Lausbuben­gesicht von Josef Brustmann glaubt man alles – auch die skurrilsten Anekdoten.
Dem sympathischen Lausbuben­gesicht von Josef Brustmann glaubt man alles – auch die skurrilsten Anekdoten.

Ja, es gibt ihn durchaus noch, den Unterschied zwischen Comedy und Kabarett. Und Josef Brustmann steht eindeutig für zweites. Bei seinem Auftritt in der ARCHE entpuppte sich der Oberbayer als Meister der leisen Töne – ein „Leben hinterm Mond“, so der Name seines neuen Programms, führt er deshalb noch lange nicht.

Man kann aus einer Not auch eine Tugend machen: „Legen Sie einfach Ihre Füße auf die leeren Stühle“, begrüßte Inge Grein-Feil in der ungewohnt-spärlich besetzten ARCHE. Dafür geriet der Abend umso gemütlicher – und Josef Brustmanns über­bor­den­der Einfalls­reichtum schien in der familiären Umgebung besonders schöne Blüten zu treiben.
Denn schrille Scherze, grelle Gags und platte Poin­ten, das ist seine Sache nicht. Der Kabaret­tist liebt die leisen Töne, leichte Ironie – und die weiß er so meisterhaft zu bedienen wie die vielen Instru­men­te, die seine skurrilen Geschichten begleiten. Dabei mag man ihm derart satirische Qualitäten auf den ersten Blick ja gar nicht zutrauen. Brustmann, Mitglied der Monaco-Bagage, ist ein ganz Netter. Mit weichem Timbre und ehrlichem, grund­sympa­thischen Gesicht. Einem Gesicht, dem man alles mögliche glauben möchte. Auch die absurdesten Alltags-Anekdoten.
Davon gibt es in Brustmanns oberbayerischer Heimat Wolfrats­hausen („die Stadt der geschei­ter­ten Kanzlerkandidaten“) jede Menge. Da sind etwa die beiden Vogelstimmen-Imitatoren, die sich, den Ruf des Waldkauzes nachahmend, über eine Mauer hinweg unbemerkt aufs prächtigste unterhalten. Oder der Asket, der neben einem Säufer wohnt – und im Suff von ihm überfahren wird. „Da frogst di, was gsünder is“, führt Brustmann mit bayrisch-trockenen Charme aus.
Ja, er kann auch bitterbös‘, der Brustmann. Nicht nur in seinen gefürchteten „Mitmachmuss-Nummern“, in denen unschuldige Zuschauer schnell mal als musikalische Hilfskräfte an der Heimorgel missbraucht werden. Und als Oberbayer beherrscht er freilich auch die Kunst des Gstanzl-Singens.
So aktuell die Anspielungen, so traditionell die Mittel: Wenn er nicht gerade das erstaunlich reiche Tonspektrum eines Kinder-Keyboards ausschöpft, greift Brustmann auf Gitarre, Quetsch­kom­mo­de, Zither zurück – alles typisches Stubenmusi-Instrumentarium. Kein Wunder, schließlich sei er in „eine Art oberbayerische Kelly-Family“ hineingeboren worden: „in eine bitterkalte, aber poetische Existenz“.
Poetisch sind denn auch die Glanzstücke von Brustmanns Programm: wortgewaltige Monologe über Gott und die Welt, Staat und Kirche. Oder den Menschen, „dem Viech, das ohne Gepäck nicht auskommt“, der sich von Zwängen frei machen will – und mit schweren Koffern in den Urlaub verreist, seine Habe ein Leben lang in Kisten verpackt. Bis er irgendwann selbst verpackt wird. Für seine letzte Reise.