Beim Krippenspiel nur zweiter Ochse


Bericht von Ursula Grüninger, Heidenheimer Zeitung vom 23.03.2017 12:31 Uhr


Die junge bayerische Kabarettistin Franziska Wanninger unternahm in Dischingen einen erfrischenden Tauchgang in die unergründlichen Tiefen der menschlichen Seele.


Frisch und unverkünstelt und doch mit viel Hintersinn war der Auftritt der jungen bayerischen Kabarettistin Franziska Wanninger. In der ARCHE schlüpfte sie bei „Aholbe guad Is guad gnua“ In eine Vielzahl von Charakteren.
Frisch und unverkünstelt und doch mit viel Hintersinn war der Auftritt der jungen bayerischen Kabarettistin Franziska Wanninger. In der ARCHE schlüpfte sie bei „Aholbe guad Is guad gnua“ In eine Vielzahl von Charakteren.


Franzi ist im Stress. Sie will es als Kreuzfahrt- Entertainerin mit .ihrem neuen Programm „Ahoi“ auf die Aida schaffen; die Aida-Tester samt Premierenpublikum sind be­reits im Anmarsch.

Da muss die Hauptprobe natürlich extrem „guad“ laufen – und das Arche-Publikum kommt gerade recht als Zeuge, wie Franzi auf den letzten Drücker an ihrem ultimativen Bringer, einem kreuzfahrttauglichen Lied, herumbastelt.

Es muss „guad gnua“ sein, um auch den hochgesteckten Erwartungen ihres großmäuligen Managers („Ich hab sie alle gehabt“) zu befriedigen, in dessen Rolle die mit hinreißendem Charme gesegnete Franziska in Mimik und Sprache dann ebenso überzeugend schlüpft wie in die ihrer nervigen Tante Elfriede, die sie mit ihren unsäglichen Vorstellungen von dem, was gut und richtig ist, in Wallung bringt.

Kabarettistisches Talent

.Doch gerade .das, nämlich die Ge­fühls- und Gedankenirrungen ihrer virtuellen Charaktere Gestalt annehmen zu lassen und auf der Bühne darzustellen, liegt der 34-jährigen Künstlerin. Hier zeigt sich Franziska Wanningers kabarettistisches und schauspielerisches Talent, professionell verstärkt durch entsprechenden Unterricht in den USA. Und das alles in sehr gutem Bayerisch.

Ob es nun der aufgebrachte .Kundenberater im Fachgeschäft ist, der sich über die Kundin aufregt, die dort per Handy die Internet-Angebote checkt, oder die zwar leicht beschränkte, aber umso pikierter tuende Kundin im Buchladen, die zu wissen meint, über welche Art von Literatur eine „gute“ Buchhändlerin. Bescheid wissen müsste.

„Ach ja, das Leben, vor allem das Zusammenleben mit anderen Menschen, ist nicht so leicht“, muss Wanninger konstatieren. Da sind die ebenso kontrollsüchtige wie geizige Tante Elfriede („Die .lässt sich nach dem Tod nur bis
zur Hüfte eingraben, damit sie die Grabpflege auch noch selber machen kann“), die Buchhändlerin, die dank Amazon quasi beschäftigungslos ist, die geplagte Lehramtsanwärterin, die es im Umgang mit Eltern schon im Referendariat auf mehrere Prozesse bringt, oder die traumatischen Kindheitserlebnisse der Franzi W, die beim Krippenspiel nur der zweite Ochse sein darf: Wanninger versteht es, all diese größeren
und kleineren menschlichen Kata­strophen kabarettistisch pointiert in Worte zu fassen und in Szene zu setzen.

Doch sie kann das nicht nur auf Bayerisch: In perfektem Schwäbisch mimt sie auch die höchst euphorische Interviewerin (kennen wir die nicht von .irgendwoher?) von „Schwäbische Psychologie heute“ beim Interview mit dem Volksmusikstar Florian S., dessen, .harmlose Antworten
sich dann, tiefenpsychologisch ausgeschlachtet, in einer wissen­schaftlichen Abhandlung wieder­finden.

Spätestens danach hat Franzi sich endgültig warmgelaufen. Und dann jagt ein schauspielerisches Highlight das andere: Zunächst der feiste Bürgermeister, der schon eine Säulenvilla sein eigen nennt und den Kreistag ohne Bedauern gegen abendliche Thermomix-Vorführungen, getauscht hat („da darf ich immer zur anschlie­ßenden Dessous-Party bleiben“) und seine vermeintlich neue Berufung als Frauenverführer gefunden hat.

Diese Vorstellung wird noch getoppt von des Bürgermeisters Gattin, die sich, nach Anraten von Frau Landrätin, durch Hormonyoga ins Nirwana stöhnt und schaukelt, ohne sich dabei vom Gelächter des Publikums aus der Ruhe bringen zu lassen:

All das lässt bei Franzi das Gefühl aufkommen, dass alle immer alles besser wissen und können als sie selbst. Was sie gesanglich zu der Frage drängt: „Warum kann guad net guad gnua sei?“

Beginnt das Glück erst bei einem Rasenmäherbulldog mit Getränke halte r und 50 Quadratmeter   begehbarem   Kleiderschrank, oder stehen wir uns beim Glücklich sein einfach nur im Weg?

Rap mit zehn Hoibe

Hervorragend gelungen ist dann schließlich doch noch das Kreuzfahrtlied für die bayerische Seele als Rap „mit zehn Hoibe um die Welt“, mit Stimme, Charme und tänzerischer Einlage von Franzi bravourös dargeboten.

Und wer dann für seinen Ein­trittspreis noch nicht genug hatte, durfte sich an Wanningers wahren Geschichten von unterwegs in der bayerischen  Provinz  erfreuen oder an den äußerst pragmatischen Gedankengängen der Wiesnbedienung, die alle auftretenden Schwierigkeiten mit einem Hendl aus dem Weg räumt, sowie an den Schimpftiraden des grantigen Münchners in der S-Bahn („Ich mog d‘Wiesn, aber d‘Leit, die mog i net“).

Alles in allem war es ein höchst vergnüglicher Kabarettabend mit einer erfrischenden, ebenso professionell wie unverkrampft agierenden Künstlerin.

Kein Wunder, dass das, Publikum die abschließende Frage des Gastgebers Siggi Feil, ob sie wiederkommen solle, dann auch ganz. klar mit Ja beantwortete.