„Auch ein DIN-A4-Block hat Format“


Bericht von Siglinde Broich-Bernt, Heidenheimer Zeitung vom 22.06.2010 18:08 Uhr


Kultur in der ARCHE: Kabarettist Mathias Tretter über Wulff und die Welt


Ist für Dieter Hildebrandt der „intelligenteste Kabarettist derzeit“: Der hochgelobte Mathias Tretter war in der ARCHE - maximal seine Gesten und Gags
Ist für Dieter Hildebrandt der „intelligenteste Kabarettist derzeit“: Der hochgelobte Mathias Tretter war in der ARCHE – maximal seine Gesten und Gags




Das Urteil fällt ein ganz Großer: „Er ist der scharfzüngigste, intelligenteste Kabarettist, den Deutschland momentan zu bieten hat“, soll Dieter Hildebrandt über ihn gesagt haben. Mathias Tretter reagiert überrascht: „Der kennt mich doch gar nicht“.

Das ist anzuzweifeln, denn der gebürtige und bekennende Franke heimst seit sieben Jahren ununterbrochen Preise und Auszeichnungen ein: Schweiger Kleinkunstpreis, Münchener Kabarett-Kaktus, Rottweiler Kabarettpreis, Thurn & Taxis Kabarettpreis, Stuttgarter Besen in Silber, Passauer Scharfrichterbeil, Lachmesse-Preis Leipziger Löwenzahn, Förderpreis des Deutschen Kabarettpreises – um nur einige zu nennen.

Außerdem konnte man ihn im „Scheibenwischer“ erleben oder in Ottis Schlachthof. Die Liste ist hier gar noch länger.

An einem Tretter kommt man daher schlecht vorbei, schon gar nicht Inge Grein-Feil, Initiatorin des Projektes „Kultur in der ARCHE“, das übrigens bereits zehn Jahre besteht. Besucher schätzen die Kleinkunst auf Tuchfühlung im familiär anmutenden Rahmen. Guter Einstieg auch für Mathias Tretter, der sich einen „Lebenstraum“ erfüllt hat, nämlich im ausverkauften Theater („vor 125 Zuschauern“) aufzutreten und auf dem Härtsfeld kämpferisch verkündet: „Priol, zieh dich warm an!“

Damit geht Tretter als „Staatsfeind Nr. 11“ nahtlos zum Angriff über. Wer bleibt da eigentlich verschont? Nicht Mixa oder Merkel, weder Wulf noch Westerwelle, nicht Bahn und Börse, Osama Bin Laden, Barack Obama, Vergangenheitsbewältigung sind Tretters Themen – und natürlich die aktuelle Politik. Und schon drischt und brettert er drauf los.

Wulff soll das Format zum Bundespräsidenten haben? „Format hat ein DIN-A-4-Block auch“. Tretter erkennt: „Guido Westerwelle ist die Vuvuzela der FDP“ und blickt auf seine berufliche Zukunft: „Das schwarze-gelbe Bündnis bedeutet für Kabarettisten vier Jahre Volljob“.

Apropos Volljob: Noch vor ein paar Jahren war Mathias Tretter Sprachlehrer an einer Dolmetscher-Schule, hat in den 90-ern Anglistik und Germanistik in Würzburg, Edinburgh und Heidelberg studiert, ist unter anderem des Fränkischen, Sächsischen und Angelsächsischen mächtig.

Vor allem aber ist er ein Aufklärer. Merke: Bürger kommt von bürgen. Und Aktien sind das Glücksspiel derer, die nicht mehr zu verlieren haben.

Tretter ist darüber hinaus ein toller Schauspieler, ein Angela-Merkel-Parodist vom Feinsten, ein Komiker mit sparsamster Requisite und überraschenden Pointen, dabei respektlos, gnadenlos und sein bester Werbeträger überhaupt: „Hören Sie doch mal rein: WDR 5, immer donnerstags von 19 bis 19.30 Uhr in die Sendung Politikum“.

In Dischingen hofft man auf ein Wiedersehen mit dem Jungvertriebenen aus Leipzig, der Cinderella und Ansgar im Gepäck hat.

Dann wird vermutlich „nachgetrettert“.