Wilhelm Tell trifft den Wombat


Bericht von Marita Kasischke, Heidenheimer Zeitung vom 23.05.2019 09:00 Uhr


Alain Frei lockte deutlich jüngere Besucher in die ARCHE nach Dischingen, wo sich das Publikum diesmal sogar in die Show einmischte.


Kein langsamer Schweizer: Alain Frei.
Kein langsamer Schweizer: Alain Frei.

Der Schweizer Alain Frei kam in die ARCHE, und vieles war ein bisschen anders als gewohnt. Vor allem waren unter den 130 Besu­chern des ausverkauften Gastspiels des „Comedians der neuen Generation“, wie er allerorts gefeiert wird, deutlich jüngere Besucher als sonst. Und auch das machte sich bemerkbar: Bereits als Alain Frei auf die Bühne kam, begrüßte ihn nicht nur Applaus, sondern geradezu frenetischer Jubel wie für einen Popstar. Und das Publikum blieb unruhig. Offenbar hatte es den Auftritt mehr als interaktive Show begriffen, weshalb es sich immer wieder ins Programm einmischte. Das bescherte dem Publikum Touristiktipps für Dischingen, die da lauten: eine Druckerei, ein von Enten und deren Fäkalien belegter See, ein Hotel, aber nicht in Dischingen. Das Publikum amüsierte sich bestens über derlei Interruptionen, ob das Alain Frei so gefallen haben mag, das darf bezweifelt werden, wurde er doch immer wieder aus seinem Konzept gerissen.

Ganz neue Wendungen

Wenn er darüber verärgert war, so ließ er. das. jedenfalls kaum durchblicken, sondern ging auch auf noch so großen Nonsens ein und holte sich so die Pointe als seine eigene zurück. Das zeigte sich besonders an seiner Interpretation des „Wilhelm Teil“: Während Frei selbst agierte, ließ er sämtliche Geräusche von Zuschauer Bernd liefern. Und falls Frei dachte, er stelle mit Handyklingeln, Ruck sack hieve n und Schwerterkämpfen besondere Herausforderungen, dann hatte er nicht mit Bernd gerechnet: Der nützte nämlich seine Chance, dem ohnehin sehr frei interpretierten Teil noch ganze andere Wendungen zu geben. Da musste auch Frei ein ums andere Mal improvisieren – und genüsslich weideten sich die Zuschauer daran.

„Mach Dich frei“ ist der Titel seines Programms, und das meint nicht, dass der Künstler selbst Haut zeigt, obwohl dies von seinen jungen Fans gefordert wurde. Es steht vielmehr dafür, sich von Vorteilen und negativen Gedanken frei zu machen. Es kann nun nicht unbedingt behauptet werden, dass Frei zum Titel auch die passenden Themen in seinem Programm lieferte, auch wenn er vom schwarzhäutigen Jürgen und seinen weißen Adoptiveltern sowie seinem Freund Rashid, dem Inder er zählte.

Schnell denken, schnell agieren

Vielmehr plauderte Alain Frei aus seinem Leben, seinem „Farne-Level“, seiner Familie und schaffte es, dass Belanglosigkeiten witzig wurden allein durch die Art, wie er sie vortrug. Begebenheiten während seiner Tour, besondere Auftrittsmomente, dazu Erlebnisse aus seiner Kindheit – Frei erzählt von sich selbst, und das Publikum amüsiert sich bestens. Er macht sich lustig über Wortschöpfungen wie „Doppelhaushälfte“ oder Sprichworte wie „Das Kind ist in den Brunnen gefallen“ – will es denn niemand retten? Der gelernte Schauspieler zeigt dabei, dass er auch aus nichtssagenden Texten wie dem würfelförmigen Wombatkot eine Menge rausholen kann. Zumindest mit einem Vorurteil räumte Alain Frei an diesem Abend gründlich auf: nämlich dem des langsamen Schweizers. Davon kann bei ihm nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Schnell denken, schnell agieren und zudem noch ganz überraschend eine Pointe aus dem Köcher ziehen, damit verblüffte der 36-Jährige durch den ganzen, über Stunden dauernden Abend, nicht nur sein junges Publikum.