Finanzmarkt mit Musik: Kabarettist Chin Meyer in der ARCHE
Am Anfang war die Steuer. Also eigentlich nicht die Steuer, sondern sämtliche Steuern. Und allein schon die Art, wie Kabarettist Chin Meyer am Sonntagabend sämtliche Steuerarten der Republik auf sein Publikum in der ARCHE Dischingen niederprasseln ließ und dabei gekonnt und genüsslich die eine vergaß, um sich hinterlistig vom Publikum die Sexsteuer liefern zu lassen, das war schon eine reife Leistung.
Und so war gleich am Anfang neben der Steuer auch der Szenenapplaus. Und das gesamte Programm „Reichmacher – Reibach sich, wer kann“ blieb reich an Szenenapplaus, an Lachern, an Pointen, die aus dem gezaubert wurden, was ja eigentlich überhaupt nicht zum Lachen ist: dem Finanzmarkt nämlich, dessen Absurditäten Chin Meyer und sein Alter Ego, der Steuerfahnder Siegmund von Treiber mit dem Hang zum Zumwinkeln und Hoenessen, in üppiger Wortgewalt und sehr treffsicherer Spitzfindigkeit bloßlegten.
Sie wissen nämlich, wo er langgeht, der „Highway to Geld“, und sie wissen, was er braucht, der Staat, nämlich Kettenraucher. Denn ein Kettenraucher finanziert in seinem Leben 17 Kindertagesstätten. Oder eben das Betreuungsgeld, wenn Kinder dort nicht hingehen – eine Idee, wie sie laut Meyer nur von männlichen bayerischen Politikern kommen kann, bei denen Muttis Hand zu wenig ausgerutscht ist.
Und bevor noch die Idee des Betreuungsgeldes II auftaucht, nämlich Geld für die Eltern, wenn Kinder nicht zur Schule gehen, sollte die Meyersche Strategie Anwendung finden, dass nämlich rüstige Damen aus dem Seniorenheim angeheuert werden, um die den besagten Politikern in der Kindheit schuldig gebliebenen Ohrfeigen nunmehr sattsam nachzuholen.
Armmacher und Reichmacher, Versicherungswahnsinn und Rentenkasse, die vor allem von den Ökos belastet wird, weil die am längsten leben und das auch noch schlecht gelaunt, Finanz- und Kommunikationsblasen, Bankenrücklagen für den Fall, dass deren Geschäfte vielleicht von Richtern als nicht ganz so legal angesehen werden wie von ihnen selbst, Off-Shore-Finanzplätze, Steuerparadiese“, und immer wieder der Bereich der Steuerhinterziehung, in Deutschland Volkssport, in Griechenland olympische Disziplin.
Der Dauerbrenner im Kabarett, der Berliner Flughafen, an dem noch unsere Urururururenkel abzahlen werden, was ja aber dann, will man Pegida glaubt, ein türkisches Problem sei – Chin Meyer jonglierte nur so mit Themen und Erkenntnissen, Definitionen und ironischen Schlussfolgerungen und stellte damit Hirn und Zwerchfell immer wieder vor neue Herausforderungen.
Und singen kann er auch noch:
Tina Turners „Private Dancer“ wurde bei ihm zum „Private Banker“, Billy Joels „We didn‘t start the fire“ zu „Wir wollten nie die Krise“ und sämtliche Fragen der Eurokrise wurden von ihm leichthin mit Schlagern beantwortet, und dabei kam dann auch Mireille Mathieus „Akropolis adieu“ zu neuen Ehren.
Und das kann er auch noch richtig gut, denn er war nicht nur schon Taxifahrer, DJ, Koch, Masseur, Heilpraktiker und Butler, sondern auch Musical-Sänger, und obendrein hat er eine Schauspielausbildung. Vor allem aber hat er eins:
Durchblick und ein gutes Gedächtnis, denn er verblüffte ein ums andre Mal damit, nicht einen Zuhörer, nicht zwei, nein: große Teile des Publikums immer wieder mit dem richtigen Namen anzusprechen. Anzusingen gar: Katharina aus Dischingen bekam ihre eigene in bester Improtheater-Manier entstandene und höchst dramatische Opern-Arie gewidmet, und die gesamte Zuhörerschaft lernte an diesem die Kunst der endorphinfähigen Umarmung, auf dass sie fürderhin hingehen und Glücksgefühle nehmen, geben und mehren.
Wenn das mal kein Gewinn ist, der das Leben reich macht. Und das auch noch steuerfrei.