Der Heilige aus dem Kartoffelsalat


Bericht von Marita Kasischke Heidenheimer Zeitung, 30. September 2008 vom 27.09.2008 16:25 Uhr


Bayerisch, bissig, brillant: Der Kabarettist Helmut Schleich in der ARCHE in Dischingen


Dachte in Dischingen über Helden nach: Der Kabarettist Helmut Schleich.
Dachte in Dischingen über Helden nach: Der Kabarettist Helmut Schleich.


Die virtuelle Müllhalde der Nation, volkstümlich genannt E-Bay, das ist das eigentliche Zuhause von Hartmut Schlauch. Hartmut Schlauch wiederum ist eine der Figuren, die Kabarettist Helmut Schleich am Samstag mit in die ARCHE nach Dischingen brachte, wo er sein Programm „Der allerletzte Held“ vor ausverkauftem Haus präsentierte. Schlauch sammelt also Helden, aber nicht etwa so wie der Fredi aus Feldmoching, der Philosophen in seinem Badezimmer und Barockmusiker auf der Terrasse sammelt, während im Keller der Erste Weltkrieg und im Garten der Zweite mit dem Swimmingpool als Pearl Harbour und diversen abgeernteten Beeten als Wüste für Erwin Rommel vorbereitet wird. Nein, Hartmut Schlauch sammelt die Helden im Kopf, und da ist dann in seinen Hirnwindungen ganz schön was los, wenn diese als Trampelpfad von Winnetou, Aristoteles, Lenin und Mozart benutzt wird, weil diese zur Geburtstags­feier des Neandertalers – einem halbrunden – aufbrechen.

Die Beppi kramt Schleich aus seinem Hirn hervor, ein handfestes bayerisches Frauenzimmer, die einfach alles selber macht: Lippenstifte aus Himbeermarmelade, Margarine und Sulz-Gelatine, Straf­zettel, die sie auf ihr eigenes Konto überweist, und sogar ihren Gatten erschlägt sie selbst – wenn man nicht alles selbst macht! Der leicht irr angehauchte Super-Messi plaudert von seinem verschütteten Eiersalat, der – 0 Wunder! 0 Erscheinung! – in Form des Heiligen Landes zu Boden kommt und da auch bleibt und ist in guter Gesellschaft, schließlich entwickeln sich nach Muttis Tod auch der heilige Bartholomäus im Kartoffelbrei und der heilige Martin im Schimmel am Duschvorhang weiter.

Und einer darf natürlich im Programm Schleichs nicht fehlen: Der heilige Franz Josef, der Schutzpatron der Demagogen und Wirtschaftskriminellen, der Erfinder der globalen Speziwirtschaft, der herrlich darüber räsonieren darf, dass der Transrapid nun nicht gebaut wird. Weil er zu teuer ist! Das hätte es bei ihm nicht gegeben. Hat er schließlich gefragt, was der Rhein-Main-Donau-Kanal kostet? Nicht umsonst sind nach ihm Flughäfen, Vögel und Blumengebinde benannt – seine Nachfolger dagegen brächten es wohl allenfalls auf eine Bushaltestelle in Adelholzen.

Ach ja, und was endlich einmal direkt auf den Müll muss, weil es bei E-Bay sicher ebenso wenig ersteigert wird wie das Telefonbuch A-K von Bochum aus dem Jahr 1992, das verrät das Schleich’sche bayerische Schandmaul auch: der Freundlichkeitsterrorismus. Nein, er will es nicht mehr hören, das allgegenwärtige „Schönen Tag noch“, das doch im Klartext auch nichts anderes als „Schleich‘ di“ heißt, und er will es nicht mehr hören, das „Viel Spaß damit“, das selbst beim Kauf einer Hämorriden-Salbe nicht fehlen darf. Weg auch mit dem ständigen „Okay“ auf die aberwitzigsten Mitteilungen, wo es doch allein schon auf Bayerisch die ganze Bandbreite an Reaktionen von „Da schau her“ bis „Öha“ gibt. Auf den Müll auch mit den Geschmacksrichtungen Vanille, Karamel und Crispy-Crusty-Crunch-Cream, wenn man doch einfach nur einen Kaffee trinken will. Schlauch jedenfalls empfiehlt, hartnäckiges Nachfragen und Herunterleiern derartiger Aromastoffe mit einem zornig gebrüllten „Rindergulasch“ zu beantworten und sich damit als der allerletzte Held im Coffee-Shop zu beweisen. Helmut Schleich stellt seine Typen nicht nur punktgenau dar, Schleich ist ein Garant für einen Aben voller Pointen, die sitzen -bayerisch, bissig, boshaft, brillant.