Im Herzen des Banalen


Bericht von Heidenheimer Neue Presse/ari vom 18.10.2008 00:00 Uhr


„Mistcapala“, das Musikkabarett-Quartett aus Landsberg, bot in der ARCHE Musikkabarett vom Feinsten



Die ARCHE war voll, rappelvoll. Mistcapala, das Musikkabarett aus Landsberg enterte die Bühne in Dischingen und trieb die „Alltagsflüchter“ in die Tränen – Lachtränen, versteht sich.

Eng ist’s auf der mit Klarinette, Kontrabass, Harfe, Akkordeon, Glockenspiel, Drehleier, Unterfränki­schem Dudelsack, Bassmandoline, Brummtopf etc. zugestellten Bühne.
Da zwängen sich auch noch vier Musiker dazwi­schen, mit stark unterbelichtetem Gesichtsausdruck. Sie greifen langsam zu Kontrabass (Tobias Klug), Akkordeon (Armin Federl), Klampfe (Vitus Fichtl), Klarinette (Tom Hake). Spielen aber nicht gleich los: Die Herren entschleunigen sichtbar. Nehmen den entspannten Ausdruck wie nach einer langen Klositzung an.
Dann durchbrechen sie ihre Meditation. Fordern total, vital, musikalisch auf: „Komm zu uns, wir sind Eure Freunde von Mistcapala.“ Ja, sie sind unsere Freunde, vom ersten Augenblick. Weil sie so nah an uns sind, weil sie, so wie wir, Tag für Tag, in die Widrigkeiten des Alltags und in den Irrsinn aufbrechen, und sie erinnern uns in ihrem Programm an unsere Abenteuer in den besten Jahren, bestanden in der sengenden Banalität eines ganz normalen Lebens. Der Schalk sitzt den vier Schlingeln im Nacken, das spiegelt sich in ihren Texten und Melodien, wie bei „Pepita“, dem prämierten Yorkshire-Terrier, das zum Entsetzen des Frauchens zu Mittagessen eines Huskys wird:
„In Rattengröße wirken sie wie Chappi-Stücke“. Und sie führen im „Concerto Helvetico“ absurdes Zeigefinger-Verhalten eines Schweizer Zollbeamten vor, der streng nach Gesetz den Beweis fordert, dass der Dudelsack keine Ziege, auch nicht deren Kadaver sei.
Rache dann jenseits des Schlagbaums. A Cappella aus vier Kehlen: „R-I-C-O-L-A“! und voll­syn­chro­ni­siert bewegen sich vier Mittelfinger nach oben.
Sarkastisch ist ihre Goofy Nummer. Schnell ist die Menschenwürde futsch, wenn man in die Goofy-Maske schlüpfen muss, nur weil man die Kohle braucht. Fichtl zieht seine Socken aus, lässt sie über die Ohren hängen, zerrt aus der Hose einen Herrentanga, legt ihn über sein Haupt. – Goofy lebt. Stirbt aber gleich, da er Disneys Credo „Keep the Magie just alive“ akribisch umsetzt.
Weiter geht’s mit Menschen, Tieren, Sensationen ins schwüle Klima: knackig in Lack und Leder, American-Police Kappe auf dem Schädel, Würgehalsband am Kehlkopf und endlos lange nackte Beine, die in Hotpants stecken, stolziert Erzkomödiant Hake als Unlustknabe an brüllenden Zuschauer­reihen vorbei. Mit Stimme süß wie Tokajer und Körper scharf wie Paprika. Lachkrämpfe kommen auf.
Vom animalisch Scharfen ins messerscharfe Seichte mit einer gesülzten Howard-Carpendale-Nummer: Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Ihr Mann wunderschöne Augen hat?
Und: „Wir holen Sie dort ab, wo Pfarrer Fliege Sie hat sitzen lassen“, verkünden sie.
Wir sitzen immer noch mittendrin in Banalitäten, aber Dank Mistcapala waren die Besucher der Arche wenigstens kurzzeitig glückliche Menschen.