Au weia, Frau Aumeier


Bericht von Von Dr. Manfred Allenhöfer, Heidenheimer Neue Presse vom 26.04.2009 14:26 Uhr


Einmalig in der ARCHE: Pfundiges Kabarett mit Lizzy Aumeier und Pianistin Tatjana Shapiro – ebenso unerschrocken wie spontan



Spielen die berühmte Liebesszene auf der „Titanic“ nach: Die pfundige Lizzy Aumeier (zunächst in roter Robe) hat als ihren Lieblingszuschauer den jungen sport­lichen „Torschten“ entdeckt. Der muss auf die Bühne und ihr den Leonardo machen. Er heiratet übrigens in zwei Monaten – und Lizzy wird sein (wilder) Stargast! Links die begleitende Pianistin Tatjana Shapiro


Nach der Pause schwarz, enganliegend, durch­schimmernd – und mit originellem Rückendekollete: Lizzy Aumeier beeindruckte in der ARCHE auch optisch. Hier sucht sie nach Männern im Publikum – und findet „Torschtens“ Schwiegervater. Man beachte die Mienen des Publikums! (zum Vergrößern Bild anklicken)

Sie kam wie eine Naturgewalt über die ARCHE – und hat aus glücklichen Zufällen einen absolut unwiederholbaren Abend gemacht. Lizzy Aumeier ging in Dischingen „Männer­träumen“ nach – und hat am Ende die Einladung zu einer Hochzeit hier in, zwei Monaten erhalten (und angenommen)! Aus einer Verkettung glücklicher Zufälle einen einmaligen Auftritt zu machen, ist Können. Deshalb ist der Begriff der „Urgewalt“ eigentlich ungerecht abgeleitet von der fleischlichen Fülle der Kabarettistin – mit der sie im übrigen sehr selbstironisch kokettiert.

Mit Lizzy Aumeier und ihrer Pianistin Tajana Shapiro kommen zwei schwere Mädels auf die Bühne: Aumeier erscheint im knallrot schulterfreien Kleid – ihr Bus aus „FÜ“ ist knallrot, wie die Frau insgesamt eine knallbunte Knallcharge. Dabei ist sie hellwach, kann genial grimassieren – und ist hochmusikalisch.
Der Kontrabass ist ihr Instrument. Und wenn stimmt, was sie vor ihrem Abgehen erzählt, ist diesem Instrument ihr realer „Traummann“ zu verdanken: Als Bassistin sei sie mit den Nürnberger Philharmonikern bei den Heidenheimer Opernfestspielen aufgetreten -und dabei habe er „eine dicke Sängerin“ geknutscht.
Es ist nicht eigentlich ein richtiges Kabarettprogramm, das die Aumeier bietet: Die „Männerträume“ sind eher eine Aneinanderreihung von nicht immer durchschlagenden Sentenzen und Pointen zum Thema Mann + Frau. Auch vor gelegentlich etwas abgehangenen Sottisen und Redensarten hat sie keine Scheu.
Aber man empfindet das nicht als Mangel. Weil, erstens, die Aumeier eine mitreißende Persönlichkeit ist. Und sie, zweitens, herrlich improvisieren kann. Und weil sie ihr Spiel mit dem Publikum mit Gedächtnis und System (und nie gegen das Publikum) betreibt. Sie vernetzt die Aussagen – und bringt so eine ganz Dischingen- spezifische Färbung ihres Auftritts zu Stande, die das Publikum in der längst ausverkauften ARCHE (kannten die die Aumeier? Vom bayerischen Dritten?) natürlich begeisterte.

Und hier kommt, im doppelten Sinn des Wortes, der Torsten ins Spiel: Der war, neben dem Hans, der meist angesprochene Zuschauer. Lizzy brauch­te einen, der männlich, jung und gutgebaut ist. Der Torsten kommt aus Haunsheim, ist Fußballer, treibt sonst noch so manches – und heiratet in zwei Monaten. Das kriegt Lizzy heraus, baut die (ebenfalls gut gebaute) Corinna ein, lernt bei einem Gang ins Publikum („selten so viele so ängstliche Männergesichter gesehen!“) auch noch den Schwieger­vater von „Torschten“ kennen – und macht aus den erfragten Kurzantworten eine ganz eigene, den gesamten Abend durchziehende Parade-Nummer. Und dann hat (wieder reiner Zufall!) der „Torschten“ auch noch eine Einladung zu seiner Hochzeit dabei; und die wandert nach vorne, Lizzy liest -und nickt. Ja, klar, wenn’s irgend geht, werde sie kommen. Wenn’s klappt, steht dem Torsten („der steht doch noch unter Welpenschutz“, improvisiert die Pianistin) eine unvergessliche Hochzeit bevor!

Neulich war „Annamateur“ in Langenau, der „Singende Walfisch“ aus Dresden (die HNP berichtete). Die könnte die Tochter der Aumeier sein. Doch diese ist viel bodenständiger, viel oberpfälzischer.

Vielleicht gelegentlich auch ein wenig derb. Aber sie darf das – zumal, wenn sie sich und ihre Erschei­nung so völlig unerschrocken persifliert. Etwa, wenn sie eine Shakira- oder Madonna-Nummer bringt. Oder wenn sie die Tina Turner gibt – hinreißend in Gestik und Stimme. Selbst die Mähne imitiert sie spontan. Und sie scheut sich nicht, von der ohnehin ausgesprochen mutig ihre serpentinen-reliefierende Figur „umschmeichelnde“ Robe (schwarz durchschimmernd, elastisch eng anliegend und teilrückenfrei nach der Pause) hochzuziehen – und verweist auf ihre bloßen Oberschenkel: „Keine Cellulite! Das sind Hagelschäden“). Sie parodiert auch Adolf Hitler, Nosferatu oder eine „verwamperte“ Märchen­prinzessin („von wegen Erbse – ich würd‘ nicht mal einen Kürbis spüren“), sie verjazzt und verrapt „Schneeflöckchen – Weißröckchen“, sie spießt den venusischen „Neid verhungernder Blondinen“ auf: „Ja da muss man halt abends mal was essen! Ich muss aufpassen, ich nehm‘ sonst so schnell ab!“ Dann wieder kokettiert sie mit der „alten dicken Frau“ auf der Bühne – die aber doch, siehe Torsten, erhebliche Anmacher-Qualitäten offenbart.
Die ihr „figurangepasstes Miederhöschen“ hochzieht – oder die berüchtigte „Basic Instinct“-Szene androht. Lizzy ist ein Anarcho, der vor wenig zurückscheut. Die sich selber hochnehmen kann – und auch das Publikum, das aber nie bösartig.

Und so bleibt einem erinnerlich ein ganz eindrückliches Dischinger Gesamtkunstwerk („so ein Publikum hab‘ ich ja noch nie gehabt, gell, Torschten. Danke, Inge!“) mit viel Witz, Musikalität und Spontaneität.
Der „Inge“ verspricht sie, wiederzukommen. Es wird wieder ausverkauft sein.
Aber ein solcher Abend lässt sich nicht wiederholen!