Zu jung für sein Alter und kein bisschen leiser


Bericht von Brigitta Ernst, Donau-Zeitung/Augsburger Allgemeine vom 03.07.2007 13:34 Uhr


Dieter Hildebrandt liest in der Egauhalle in Dischingen aus seinem Buch „Nie wieder achtzig“







Wenn Leute 80 werden und Glück haben, träumen sie von etwas Schönem aus vergangenen Tagen. Wenn sie Pech haben, müssen sie mal wieder zum Arzt. Nicht so der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Erklärte dieser doch gleich bei seinem Auftritt in der ausverkauften Dischinger Egauhalle:
„Häufig fragen mich so die 69-Jährigen, wann ich denn aufhören möchte. Darauf verkünde ich: Jetzt noch nicht, vorher trete ich noch einmal in Dischingen auf.“

Eine offene Sympathie­be­kundung für die »Freunde« der ARCHE, die Hilde­brandt bereits zum dritten Mal nach Dischingen holten. Dort gab sich der 80-Jäh­ri­ge Dienstagabend bestens gelaunt und gestand gleich, wie wenig ihm die aktuellen Vorwürfe seiner angeblichen NSDAP-Mitgliedschaft, die in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt haben, ausmachen. „Sie wissen ja ich war bei der NSDAP und ehe es der Focus auch rausbekommt: Mein Onkel war Kunstmaler und hat Hitler dreimal porträtiert. Ich bin ihm dafür Modell gestanden.“ Dabei fand er seine Uniform als Luftwaffenhelfer immer scheußlich. „Ich war ein 16-Jähriger und hab mich vor den Mädchen richtig geschämt.“

Außerdem stellte er phonetisch wiedergebend fest, welch schwerwiegenden Sprachprobleme die damaligen Befehlshaber hatten, deren gebrülltes Genuschel er nie verstand. Anders sei der Stechschritt, neben den nordic-walkenden Hausfrauen in Rudeln, auch bei Ex-Kanzler Schröder nach Amtsantritt festzustellen gewesen. Während Kohl hingegen meist vorbeirollte und Angela Merkel heute mit dem „uckermärkischen Furchengang“ glänzt.
Mit dieser Einleitung war Hildebrandt gleich voller Esprit in seine Buchinhalte des aktuellen Werkes „Nie wieder 80“ getaucht. Da gibt es viel zu lachen. Doch die, mit denen er sich befasst, haben wie eh und je nichts zu lachen. Auf seinem Lebensweg ist dem Satiriker viel Ungereimtes, Ungeheuerliches, Unglaubliches Unehrliches und Unernstes begegnet. Vieles davon, wie der gebürtige Niederschlesier mit Bemerkungen über Stoiber, Seehofer, Strauss und andere zu erkennen gibt, in seiner Wahlheimat Bayern. Über sie und die dort regierende CSU steuert er besonders liebevolle Seitenhiebe bei und stellte erst einmal grundlegend fest: „Solche Wähler gibt es sonst in ganz Europa nicht. Sie werden ihr Kreuz immer dorthin malen, wo es hingehört.“ Außerdem sei Bayern das einzige Bundesland, in dem Stoibers Zahnarzt mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet worden sei. Hildebrandt war sich sicher, Auch sein Schneider, Schuster und vor allem der Logopäde hätten allen Grund zur Hoffnung.

Auch der Papst bekam sein Fett weg: „Eine Personalunion Katholizismus, Bayern und Papst, das wird man in zweitausend, dreitausend, zehntausend Jahren nicht wieder schaffen. Das ist eine Gelegenheit gewesen, die genutzt zu haben … Ich muss sagen, Respekt vor denn Italienern, dass sie es zugelassen haben.“ Allerdings war ihm unklar, wie der Papst die Manager bewegen konnte, weniger Stellen zu streichen? Betrübt konstatiert der Kabarettist, wie viele Menschen meinen, der Glaube werde es letztlich richten. „Das hat es doch schon vor ein paar hundert Jahren gegeben, diesen Kampf zwischen Glauben und Wissen, die Zeit der Aufklärung. Jetzt kommt die rückführende Zeit. Es kommt eine Epoche des Wieder-Glauben-Wollens, weil Nicht-Wissen-Wollen oder weil Wissen vielleicht zu niederdrückend ist, zu viel schlechte Laune macht. Also wollen wir lieber wieder glauben.“
Anlässlich seiner 80 Lebensjahre war natürlich das Alter vor seinen klarsichtigen Analysen nicht verschont. Dabei bekamen die begeisterten Zuschauer gleich den Eindruck vermittelt, dass er mit seiner bissigen Ironie dabei der Realität beträchtlich näher rückt, als es ein objektiver Analytiker je könnte. Daher beschloss er, das Altern nicht auf Morgen zu verschieben, da er dann ja noch älter sei. Hingegen stellte er fest: Franz Münteferings Aussage, „die Alten werden zetern und mit den Zähnen klappern“, sei nicht ganz richtig und setzte an: „Ja, wie denn, wenn die dritten nicht mehr bezahlt werden?“