Multitalent Nepo Fitz zündete bei seiner Derniere in der ARCHE ein Feuerwerk von Pointen, Bedachtsamkeiten und musikalisch überraschend vielseitigen Nummern.
Mehr als die Hälfte der Zuschauer in der ausverkauften ARCHE kannten Nepo Fitz von seiner früheren Bühnenpower in Dischingen. Gemeinsam mit den „Neulingen“ gab’s nur eines: Sich bei der Derniere des Programms „Dringend“ vom rasanten Tempo überraschen und mitreißen zu lassen. Und gemeinsam merkten sie innerhalb der ersten Minuten, dass an diesem Abend dem Publikum in gnadenloser Geschwindigkeit ein wahres Feuerwerk an Pointen und Musik geboten wird.
Während die Gäste in der ARCHE jetzt „nur“ die Ohren spitzen brauchen, soll ein Zeitungsrezension-Neuling verwertbare Notizen zu Papier bringen. Dazwischen mitrocken und lachen – ein schwieriges Unterfangen. Den Mittdreißiger auf der kleinen Kleinkunstbühne interessiert das wenig, er jedenfalls muss scheinbar zwischen sich überschlagenden Pointen niemals Luft holen.
Grausame Wahrheit zum Einstieg: Fitz verkündet, dass Glück genetisch bedingt sei. So könne eigentlich jeder, der zumeist von Unglücksgefühlen gepeinigt ist, weil er überreich mit deutschen und daher selbstmitleidigen Genen ausgestattet wurde, die Suche nach dem Glück logischerweise sofort einstellen und die ersparte Zeit für sinnvolle Dinge wie arbeiten, Steuern zahlen, granteln und jammern nutzen.
Welch eine emotionale Befreiung nach diesem Schlag ins Glückskontor, dass sich der begabte Musiker ans Piano setzt und mit Robbie Williams „Let me entertain you“ an den weiß-schwarzen Tasten mit Volldampf loslegt. Unüberhörbar hat er von seinem Vater Ali Khan, mit dem er ab und zu in einer Rockband spielt, das musikalische Talent geerbt. Auch am Klavier gibt Nepo alles. Doch dann lässt er temperamentvoll an seinen derzeitigen Lebensüberlegungen teilhaben: Was man in diesem fortgeschrittenen Alter aus seinem Leben machen soll. Auf jeden Fall müsse er, Nepo, stets beschäftigt sein, keinesfalls aber in einem dörflichen „Aktionismus ohne Lebensfreude“-Verein (da hat es die Region ja mit den „Freunden“ gut!). Zum Schöpfer tauge er allerdings auch nicht: „Keine Geduld! Wie lange der allein schon für die Einzeller gebraucht hat…“. Da der Fitz-Spross zuweilen schneller redet als er denken kann, gibt es zwischendurch zur allgemeinen Beruhigung erst einmal das bekannte Stück „Comptine d‘un autre ete“ aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“.
Weil ein älter werdender Bayer durchaus grantig sein darf (ja sogar muss), ist vielleicht ein „Grant-Coaching“ genau das Richtige für den Sohn des Kabarett-Urgesteins Lisa Fitz. Dabei lernt er, die Wut auf andere und über sich selbst gepflegt einzusetzen. Musikalisch untermalt erfahren nun seine Gäste, was Nepo so alles zur bajuwarischen Weißglut bringt:
nassgeschwitzte Saunagänger, die sich laut quietschend die Achselhöhlen und das Gesicht reiben, aber auch lasche Eltern, die ob ihrer verzogenen Kinder ihnen lieber kundtun „dass sie sehr, sehr traurig sind“, anstatt sie mit klaren Ansagen zu erziehen. Oder einfältige Hundebesitzer, („schau wia ar schaut“). An diesem Hundethema arbeitet Fitz sich für Nichthundeliebhaber grandios ab.
Den Grant gelegentlich wieder zu unterdrücken hat er zwischenzeitlich ebenfalls gelernt. Der vom Marktleiter angeordneten stereotyp leiernden Kassiererin am Warentransportband („Ich wünsche Ihnen einen schönen Feiertag“) gibt er dann keine Grantel-Antwort, sondern erwidert mit charmanten Werbesprüchen („Danke heißt merci“) zu den pompösen Klängen der englischen Hymne „Pomp and Circumstances – Land of Hope and Glory“. Eine witzige und überaus gekonnt umgesetzte Idee!
Nach der Pause gibt Nepo Fitz eine weitere Kostprobe seines außergewöhnlichen künstlerischen Könnens, denn er ist eben nicht nur ein wortgewandter Kabarettist und hervorragender Musiker, sondern auch ausgebildeter Schauspieler mit erstaunlichen tänzerischen Fähigkeiten.
Es sind unglaublich viele Einfälle, die Nepo Fitz die Grundlage für seine Programme liefern. Das Multitalent sinniert über seine Jobs an Bord von Kreuzfahrtschiffen und triste Häfen ebenso wie über einen Freund der Mutter, der keine Tattoos hat, „…weil auf einen Bentley klebt man auch keine Sticker“. Später erklärt er, warum Senioren im Internet verschwinden können: Sie drücken „Alt + entfernen“ auf der Computertastatur.
Nach einigen lautstarken Tönen -ausgeliehen von der amerikanischen Punk-Band „Rage Against the Machine“ und perfekt intoniert – wird es zuletzt noch einmal sehr ernst. Schon lange ist es dem jungen Wortakrobaten ein Bedürfnis, politisch relevante Dinge hintersinnig in seinen Auftritt einzubauen. Er rüttelt mit Realitäten wach, ohne sich auch nur ansatzweise als Moralist aufzuspielen.
Sodann schickt er die kräftig applaudierenden Gäste nach einer Rockimpro und dann bei fast schon meditativer Stille beim „Halleluja“ (nach dem Gitarristen Jeff Buckley) als Zugaben heiter nach Hause.