Vom ganz alltäglichen Wahnsinn


Bericht von Jens Eber, Heidenheimer Zeitung vom 28.04.2005 16:01 Uhr


Die Geschichte ist eigentlich ganz einfach: Der Münchner Andreas will seinem Spezi Elmar helfen, ein Ersatzteil für sein Trimmgerät zu finden. Sie schlagen am Viktualienmarkt auf, und nach nur zwei Bier verhakt sich Elmar samt Fahrrad in den Tram-Schienen. Sein Leben freilich hatte sich schon vorher verhakt. Andreas macht sich nun mit flüchtigen Bekanntschaften auf die Suche nach Zukunft für Elmar, sei es Frau oder Job oder beides.



„Der Sonne entgegen“: Andreas Giebel in der ARCHE


Das ist solange noch die eher flache Story einer Vorabendserie, bis einer wie Andreas Giebel das spielerische Ruder übernimmt. Am Donnerstag trat der Kabarettist und Schauspieler beim Dischinger Kulturkreis in der ARCHE auf und verteilte von der „kleinen Kleinkunstbühne“ aus fleißig Lachfalten.
Giebel ist keiner, der Pointen in loser Folge aneinander reiht. Vielmehr stellt sein Programm „Der Sonne entgegen“ ein Ein-Mann-Stück mit einem guten halben Dutzend Rollen dar. Und auch als Giebel gegen Ende irrwitzig und sprichwörtlich von Rolle zu Rolle hüpfte, blieb er stets Herr seiner Geschichte. Mit faszinierender Präzision malte er seine Figuren aus, etwa den kleinen Placebo, der so heißt, weil er jeden Satz mit „Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbilde …“ anfängt. Oder die multi-multiple Persönlichkeit namens „Achter“, die sekündlich zwischen Adenauer und Marlene Dietrich wandelt.

Auf den ersten Blick scheinen Giebels Figuren absurd überzeichnet und so zur Komik gedrängt. Allerdings ist der bullige Bayer ein höchst genauer Beobachter, der die Schrulligkeiten und den kleinen, alltäglichen und auch komischen Wahnsinn um sich herum genau erkennt und ihnen mit nur einer Messerspitze Übertreibung zwingenden Zwerchfellreiz beschert. Er stelle Menschen aus „schräger Schattenlage“ dar, sagte Giebel dazu verharmlosend.
Bei seiner Bühnenarbeit beschränkte sich Giebel nicht auf Standortwechsel, er krempelte die Ärmel hoch, schwitzte, funkelte unter den auf Halbmast hängenden Brauen hervor, und als er vorgab, vorbeugend „homöopathische Kügerln“ gegen Depressionen einzunehmen, verriet er bei deren Dosierung ganz nebenbei auch das Rezept seiner Präsenz: „Zu wenig is‘ auch nix.“
In der ARCHE dankte man dem charmanten Brummbär und Grimme-Preisträger mit viel Applaus und einigen Lachtränen und nahm ihm das Versprechen ab, bald die Fortsetzung der Geschichte zu erzählen.