Verplant, verpeilt, vergesslich?


Bericht von Siglinde Broich-Bernt, Heidenheimer Zeitung vom 24.01.2018 09:00 Uhr


Der Mainzer Matthias Jung bat, mitten in der Fasnetzeit, in der ARCHE wortreich um Verständnis für die „Generation Teenietus“.



Dischingen ist Faschingshochburg. Keine Frage. Aber unter den Jecken so bekannt, dass ein Mainzer dafür aufs Härtsfeld reist? Wohl eher nicht. Matthias Jung war vielmehr in den Landkreis gekommen, um in der Arche von der „Generation Teenietus“ zu berichten. Doch zunächst stand der Abend ganz im Zeichen der Fassenacht, wie die „Meenzer“ ihren Karneval nennen.

In die Bütt stieg mit stolz geschwellter Brust und feuerroten Haaren die bis dato blonde Inge und wusste Närrisches zu berichten, wenn sie auch selbst von „einer Sensation für mich, einer Sensation für Dischingen“ sprach.

Überglücklich präsentierte Grein-Feil den Faschingsorden der Session 2018 und kommentierte: „Die Bundesverdienstmedaille, die man mir vor Jahren verliehen hat, ist der helle Scheiß dagegen.“ Die Begründung der Trägerin: „Für die Medaille muss man etwas tun; aber um diesen Orden zu bekommen, muss man ein angesehener Bürger von Dischingen sein. Das hatte ich bisher nicht geschafft.“

Pubertierende Ehemänner

Bestens auf Blödsinn eingestimmt, gehörte die Bühne dann aber Matthias Jung, der sich flott einen Überblick verschaffte. „Haben Sie zu Hause einen Teenager? Waren Sie selbst einmal Teenager? Befindet sich Ihr Ehemann noch in der Pubertät?“ Kopfnicken, Kopfnicken, Kopfnicken.

Das musste ja heiter werden. Gesammelt und vorgetragen hat Matthias Jung Fallbeispiele und schwere Fälle, die er als Student im Selbstversuch (Studienfach Pädagogik!) gesammelt hat, jedoch auch in der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft, auf der Straße.

Und das, um allen, die mit Teenagern zu tun haben, wertvolle Tipps zu geben. Vor allem aber warb der Diplom-Pädagoge für Verständnis: Auf dem Weg zum Erwachsenwerden seien junge Leute nun .mal „verplant, verpeilt, vergesslich“.

Waren das die Backfische früher nicht auch? Aber klar doch. Sie hatten ihre kleinen Geheimnisse, waren auf Rebellion aus, entdeckten das andere Geschlecht, standen stundenlang unter der Dusche -oder gar nicht. Und die Pizza „Vierjahreszeiten“, die Mutter irgendwann unter dem Bett entdeckte, verdiente ihren Namen zu Recht.

Und dennoch: Die Jugend von heute ist doch ein, .klein, wenig anders. Jung hat das in der ARCHE am Sonntag mehrmals statistisch und wissenschaftlich belegt.

„97 Prozent aller jungen Leute haben ein Handy. Lediglich drei Prozent haben zwei.“

Die Eltern von heute sind auch nicht mehr die, die sie gestern noch waren. Schlägt der Sprössling wütend die Türen zu, na, dann hängt man die einfach aus.

Und eine Familie mit drei Kindern inseriert heute nicht mehr:

Wohnung gesucht, möglichst drei Zimmer, Küche, Bad. Es heißt vielmehr: Drei Zimmer, Küche, Bad, Bad, Bad. Merke: Teenager sind entweder nur noch im Bad – oder eben nie.

Doch wer ist schuld daran? Richtig: die Hormone. Bekanntlich gibt es davon so einige. Allen voran die Sexualhormone, die Schlafhormone, die Stresshormone. Und wenn man schon vom Stress redet, sind die Eltern ja auch nicht mehr weit.

Erziehung oder Beziehung?

Eltern sind vor allem eines: peinlich. Außerdem sind sie oft genug zu jugendlich gekleidet und (Hilfe!) wollen Kumpel sein. Kinder wollen das nicht. Danke, Kopfhörer. Danke, Kapuzen-Shirt. Danke, Zimmertür.

Geboten hat Matthias Jung in  der ARCHE am Sonntag einen Abend, der gespijkt war mit Fakten, Statistiken, wissenschaftlichen Erkenntnissen, Selbstironie und auch ertlichen ernstzunehmenden Tipps.

„Bis zwölf geht die Erziehung, dann beginnt die Beziehung“, ist nur einer davon. Und da wären noch die drei L: loben, lieben, loslassen.

Zwei weitere sind das Fazit dieses Abends: lustig und lehrreich.