Lotto-Benefizgala mit tollen Kleinkünstlern
Deutschland, armes Open-Air-Land: Wenn zwischen der vorsorglich überdachten Bühne und den ebenfalls überdachten Zuschauerrängen ein Regenvorhang niedergeht und spätestens um neun die Kälte durch die mitgebrachten Decken und Winterjacken kriecht, dann wird klar: Verona ist weit. Gerne schielt man nach Italien, wenn der Sommer hierzulande mal wieder Pause macht. So wie Heinrich del Core und die „Füenf“, die zwei Drittel des Benefizabends von Toto-Lotto zugunsten von »Freunde schaffen Freude« und dem Heidenheimer Naturtheater bestritten. Die Idee: Kleinkunst-Preisträger treten zu Gunsten des Gemeinwohls auf – sei es für ein noch nicht abbezahltes Klavier in der Dischinger ARCHE (Inge Grein-Feil: „Bisher spielen wir nur mit den schwarzen Tasten“) oder für das Naturtheater, in dessen laufendem Betrieb „immer etwas kaputt geht, was man ersetzen muss“ (Helga Banz).
Also her mit dem wohltätigen Witz. Noch vor Italien kam Tina Häussermann, die tapfer im Trägertop („Ich bin auf 30 Grad eingestellt, und das lass’ ich mir nicht nehmen“) zum Klavier stapfte und dort eine tropfende Nase in Kauf nahm. Mit der hatte Häussermann es aber sowieso: Da wäre zum Beispiel eine gewisse Birgit, die auf ihrem pfeifenden Organ doch glatt Nasennebenhöhlenhits spielen kann. Oder ein schnarchender Ehegatte, der sägt, „bis die Nasenscheidewand uns scheidet“. Die Schnäuzgewohnheiten ihrer Mitmenschen hat sie gar in sechs Typen unterteilt. Kostprobe: der wissenschaftliche Schnäuzer – der nämlich hinterher das Ergebnis prüfend in Augenschein nimmt. Ja, die Tina hat’s nicht leicht und Frau sein ist doof. Aber über diesen Zustand kann sie treffliche Texte und Melodien schreiben und ebenso charmant singen. Und dann kraxelt sie gar noch auf das Klavier und räkelt sich divengleich – während sie mit barem Fuß in die Klaviatur greift.
Zu absolut bühnentauglichen Ergebnissen führten auch die Identitätsprobleme eines männlichen Schwaben mit italienischen Wurzeln: Heinrich del Core alias Heini Öxle, der aus eigener Erfahrung vorführte, dass die Unterschiede zwischen Nord und Süd nicht größer sein können: Hier hellbraune Socken, dort sockenfrei. Hier sparsam leerer Geldbeutel, dort Scheine lose in der Tasche. Hier verschämt leise, dort unverschämt laut am Handy. Für so einen wie Heinrich del Core ist es kein Urlaub, das Land seines Vaters zu besuchen. Selbst wenn man dorthin in der E-Klasse fährt, in deren Kofferraum neuerdings ein intelligenter Laderaummanager sitzt, der einem das Gepäck abnimmt. Denn die Italiener sind nicht mehr das, was sie einmal waren, nachdem sie sich von Gesetz wegen nicht mehr an den Schritt fassen dürfen.
Wir haben sie trotzdem gerne, unsere südlichen Beinahe-Nachbarn, und von dieser Liebe sangen auch die Jungs von den „Füenf“, gekonnt a cappella und mit reichlich Wortwitz. Apropos Jungs: So ganz jung sind sie eigentlich nicht mehr, aber voller jugendlicher Erinnerungen an die Achtziger. Weshalb sie viel Neue Deutsche Welle in ihr Programm mischten. Das kam an: So sehr, dass bei Peter Schillings NDW-Gassenhauer „Völlig losgelöst“ doch tatsächlich unaufgefordert mitgesungen wurde. Wer hätte das gedacht bei uns im Süden, wo man „nicht so viel Humor hat wie die Bayern“ und auch nicht „so’n großes Herz so wie die Sachsen“. Hauptsache: „Wir im Süden stellen die hochwertigeren Kraftfahrzeuge her“ – das ist Sand im Metrum, aber Balsam auf die Schwabenseele. Und wie man harmlos ulkt, zeigen die Fünf auch bei einem aberwitzigen Medley, in dem das englische „Love“ einfach durch „Horst“ ersetzt wird: „All you need is Horst“? „I would do anything für Horst“? „Horst is in the Air“? „Whole lotta Horst“? Jaja.
Der Funke sprang jedenfalls über im Naturtheater.
Trotz Regenvorhang.