Spiel mir das Lied vom Lombaseggel


Bericht von Karsten Kinzler, Heidenheimer Neue Presse vom 03.06.2005 15:58 Uhr


Schwäbischer Showdown in der Dischinger ARCHE:



„Ein Mann tut, was ein Mann tun muss“: Kabarettist Martin Leibssle präsentierte in der ARCHE einen Spätzle-Western nach Maulheld-Art.

 

Kabarettist Martin Leibssle bruddelt schneller als er zielen und nachladen kann.

Dreitagebart, speckiger Hut, abgetragene Weste, schmuddelige Kordhose – an der kein Colt, sondern Hosenträger baumeln. Clint Eastwood wäre beim Anblick seines schwäbischen Pendants wohl der Zigarillo-Stumpen aus dem Mund gefallen. Ganz und gar nicht auf den Mund gefallen, ist der Dauer­bruddler Martin Leibssle, der in der Dischinger Arche mit seinem neuen Programm „Zwölf Uhr mittags“ einen „granatamäßiga“ Ritt durch alltägliche Abgründe des wilden Südens unternahm.

„Irgendwas bleibt hängen“: das war einmal – „Hängt ihn höher“, nein „Zwölf Uhr mittags“ lautet das brandaktuelle Programm des motzenden Maulhelden, der nur auf Steckbriefen Leibssle genannt wird, im bürgerlichen Leben aber Eckard Grauer heißt. Und obwohl Leibssle mit „Zwölf Uhr mittags“ zum ersten Mal das Western-Genre streift, ist er keineswegs ein Greenhorn: denn wie man Lachsalven abfeuert und dabei lässig an der Theke lehnend den Rüpel gibt, hat er mit seinem Partner Hämmerte (als zwei glorreiche Halunken) im Südwest-Fernsehen bereits zur Genüge unter Beweis gestellt.
In der Arche aber sind es nur zwei Fäuste, die für ein schallendes Halleluja sorgen, genauer gesagt ein rasend-plapperndes Mundwerk, das oftmals schneller schießt als es nachgeladen werden kann. Bewaffnet mit einer Bierflasche wankt Leibssle breitbeinig auf die Bühne. Erzählt von seiner „Lisbeth“ („ein wandelndes Staubtuch“), spielt mit schwäbischen Klischees, was sich jedoch nicht immer als Volltreffer herausstellt, weil schon hundertfach gehört.
Wesentlich spontaner und schlagfertiger erweist sich seine situationsbedingte Komik, die einschlägt wie Bud Spencers Rechte. Dann wiehert das Publikum auch wie Jolly Jumper und merkt sich, dass man es niemals wagen sollte, auf die Toilette zu entschwinden, während Leibssle ein Geburtstagsständchen für Tante Hedwig einübt. Doch schließlich „muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss“.
Nachdem Leibssle seinen Erzrivalen „Zeeb“, der mal „Lisbeth kussat hat“, in die ewigen Jagdgründe der Prärie verladen hat, erklärt der scharfzüngige Schwabe schwachsinnig-süffisant, weshalb „Zwölf Uhr mittags“ für ihn ein Western-Klassiker ist. „Im Film treffat sich drei Lombaseggel, die granatamäßig raucha könnet“. Also muss „d’r Kane den Miller Frank verschießa“. Leibssle zögert keine Sekunde, eilt seinem Helden Gary Cooper zur Seite und nimmt das Duell per Fernbedienung auf. Bevor er noch ziehen kann, zappt ihn sein nervöser Finger erst zum Kochduell, danach ins Reich der Träume.
Und was macht ein Schwabe im Sommer? Natürlich, brutzeln und bruddeln, um die „hängenden Bäuche von Gyros“ zu würdigen. Leibssles Nonsens ist mal brillant-böse, herrlich-hämisch, dann wieder schießt sich der Kalauer-Bandit selbst über den Haufen. So etwa beim Benefiz-Grillen für die örtliche Bank („bring die Kohle mit“). Er bläht Pointen auf, die dann verpuffen („auch Kriminelle sind Menschen“ – wer hät’s denkt!) und gewisse Längen wie seine Kordhose aufweisen, die er unablässig über den Bauchansatz stülpt.
Doch als schwäbischer Schwätzer ist er wieder voll in seinem staubig-trockenen Element, hadert mit vegetarischer Kost und lässt das Arche-Publikum beim „Abschiedsliedle“ Queens „We will rock you“ stampfen. Er rappt dazu und erklärt, warum richtige Männer nicht einkaufen gehen wollen, stattdessen lieber das Haus bewachen – und durch Abschreckung, also in Feinripp, sämtliche Gauner in die Flucht schlagen. Als Zugabe lässt er noch Optiker den Durchblick verlieren und sägt selbst den Schreiner­meister ab.
Ja, Leibssle, gut gezielt, nicht immer getroffen, aber wofür Sergio Leone drei Darsteller benötigte, beschränkt sich der Schwabe, sparsam wie er zu sein scheint, auf sich selbst und schüttelt die nötigen Charaktere aus dem ausgefransten Ärmel:
„The good, the bad & the ugly“ – obwohl ja Inge Grein-Feil vom Dischinger Kulturkreis meinte: „Ohne Hut und Weste sieht er sogar richtig gut aus“.