Satirischer Scharfschütze


Bericht von Manfred Allenhöfer, Heidenheimer Zeitung - 27.09.11 vom 27.09.2011 13:21 Uhr


Kabarettist Helmut Schleich zitierte Franz Josef Strauß und sogar den Papst in die ARCHE


Imitator, Parodist, Kabarettist: Multikönner Helmut Schleich überzeugte in der ARCHE.
Imitator, Parodist, Kabarettist: Multikönner Helmut Schleich überzeugte in der ARCHE.

Recht unscheinbar kommt er zunächst daher, vom Typus, von der Kleidung her. Aber man soll sich von solch unprätentiösem Auftreten nicht täuschen lassen: Helmut Schleich ist ein Könner. Was sich auf dem Härtsfeld herumgesprochen haben muss: Seit Wochen war die ARCHE ausverkauft.

Bekannt geworden ist Schleich als mitreißender Imitator von Franz Josef Strauß unvergessen. Aber Schleich kann nicht nur imitieren, er kann viel mehr: parodieren. Und beileibe nicht nur den größten Bayern aller Zeiten, sondern auch eine Vielzahl anderer und jedenfalls sehr unterschiedlicher Typen.

Und Schleich kann noch mehr: Er ist ein packender Kabarettist von eigenen Gnaden; mit seinem Programm „Nicht mit mir“ war er nach Dischingen gekommen. Und damit verbindet er, in faszinierender Weise, die oben genannten drei Facetten seines Könnens miteinander.

Er beginnt mit seinen eigenen Texten und berichtet von der Demo „Nicht mit mir“, zu der, trotz ihrer Zielrichtung, viele „Wutbürger“ gekommen seien. Da legt Schleich die Grundlagen für sein (brutto) zweieinhalbstündiges Samstagabend-Programm: „ohnmächtige, diffuse Wut“ ergreife ihn und das Land.

Schleich verweist etwa auf den Einsatz der Nato in Libyen, wo der Staat gegen das Volk vorgehe. Und er erlaubt es sich, sich vorzustellen, was wäre, wenn Gaddafi sich revanchieren würde und seine Kampfjets, wegen der Auseinandersetzungen von „Staat und Volk um Stuttgart 21“, hierher beordern würde, ebenfalls „zum Schütze des Volkes“.

Das ist grenzwertig, aber gutes Kabarett darf das ja herzlich gerne sein. Die folgende Nummer ist es noch viel mehr, wenn er einen Stammtisch von Hobby-Historikern darstellt, der das Thema „Terrorismus“ diskutiert und als Gäste einen (vermummten) RAF’ler und einen einstigen SS-Rudelführer einbezieht; da erfährt man dann, was „konsequenter“ Terrorismus ist, die Deutschen seien auch da an Gründlichkeit schwer zu überbieten.

Schleich langt ganz unerschrocken hin; aber er tut das mit so viel Einfalls- und Anspielungsreichtum sowie parodistischem Können, dass die rezeptive Freude das erkennende Grauen deutlich überwiegt.

Und Schleich berichtet vom wohlfeilen „ Meinungs“ -App „Opinion Scout 24“, der das Denken einsparen helfe, oder von der „Charismatiker-Selbsthilfe-Gruppe“, in der sich das Ehepaar Guttenberg kennen gelernt habe. Überhaupt, der Adel: „Früher hat er Universitäten gegründet, heute bescheißt er sie“.

Das Publikum freut sich über einen herzhaft politischen Kabarettisten, der zulangt und seine Pointen ganz handfest und nachvollziehbar herleitet. Das ist kein bisschen verkopft – und trotzdem klug gemacht.

Und dann taucht immer wieder „FJS“ auf, als eine Art „Alter Ego“ – Schleich fürchtet gar eine cha­rakterliche „feindliche Übernahme“.

Schleich gibt vielen Typen auf der Bühne schillerndes Leben – historischen wie dem Bajuvaricus maximus, er hat auch weitere Politiker drauf wie diverse von dessen Nachfolgern oder etwa Helmut Schmid. Und er macht immer wieder fiktive Typen lebendig wie etwa das adlige Fossil Heinrich von Horchen, den einstigen Gesangslehrer von Jopi Heesters, der herrlich über gesellschaftliche Kalamitäten einst und heute sabbern kann.

Absolut brillant und ein Höhepunkt des Abends sind die Dialoge der Bayern FJS und (ha, tagesaktuell!) Papst Benedikt.

Schleich war, ziemlich tagesgenau, vor drei Jahren schon einmal in der ARCHE. Man hat sich hier sein unmanieriertes Können wohl gut gemerkt; und das zahlreiche Publikum war, beim kabarettistischen Saison-Auftakt in der „Ingenau“, wieder hellauf begeistert. Mit vielen seiner markanten Typen gab es ein vielbeklatschtes Wiedersehen; für Heinrich von Horchen etwa braucht’s da nur einen weißen Schal und einen Zylinder.

Der „Schlumpf-Komödiant“, als den ihn sein Alter Ego FJS beschimpft, war wieder begeisternd gegenwärtig. „Nur weil er keinen Hals hat, hat er noch lange nicht meine Kragenweite“, schimpft der von Ratzinger vergeblich mit „christlich-sozialem Exorzismus“ angegangene FJS einmal. Mit einem anderen Urteil hat dieser freilich ausnahmsweise einmal völlig recht: Schleich ist ein begeisternder „satirischer Scharfschütze“.

Seine vielen, manchmal schmerzenden Treffer zeigten ihn als großen, eigenständigen, kabarettistisch fast schon solitären Könner.