Radikale Reime und bombige Bonmots


Bericht von Annette Grüninger, Heidenheimer Neue Presse vom 20.03.2005 16:05 Uhr


Kabarettist Volkmar Staub in der ARCHE: Spitzzüngige Betrachtungen aus der „Heimatfront“



Antreten zum Ablachen: „Heimatfront – aus den Schützengräben des Alltags“ nennt Kabarettist Volkmar Staub sein neues Programm – und tatsächlich wurde scharf geschossen, als der badische Berliner die Dischinger ARCHE zum Kampfplatz erklärte. Im Visier: Webdesigner wie Esoterik-Spinner, Filzhutträger wie Attac-Aktivisten. Und immer wieder die „Worthülsen sabbelnden“ Politiker.

Fernglas, Filzhut, Karo-Tischdecke, „Tannenzäpfle“: Mehr bedarf es nicht, um Gentechnik und Gesundheitsreform, Volkstümelei und Globalisierung zwei Stunden lang gehörig in die Mangel zu nehmen. Sparsam mit Requisiten, großzügig mit Ironie. Keine schweren Geschütze, sondern scheinbar leichtfertiges Geplauder, das dennoch wie ein Pfeil ins Schwarze trifft.
Des Kabarettisten Waffe ist das Wort. Und Staub steht ein ganzes Arsenal an spitzzüngigem Spott, messerscharfen Metaphern, radikalen Reimen und bombigen Bonmots zur Verfügung. Ob bitterböse Betrachtungen zum „Äbbelwoi-Berlusconi“ Roland Koch oder die Angela Merkel gewidmete „Ode an die Öde“ – was da von der ARCHE-Bühne abgefeuert wurde, verfehlte nur selten seine Wirkung auf die Zuschauer, die auch am Sonntag Nachmittag den Saal der Dischinger Begegnungsstätte füllten.
Jedoch: Blindgänger, die gab es eben auch. Wo so viele Worte gedreht und gedrechselt werden, geht schon mal was daneben. Dass etwa Heide Simonis nach ihrem Wahldebakel den Hut nehmen muss, das ist als Wortspiel eben auch schon ein recht alter Hut. Und der Sprachwitz „Irak – ein einziges Rum(m)sfeld“ besitzt ebenfalls nicht genügend Sprengkraft.
Der Wirkung des gewitzten Badeners, der seit fast 20 Jahren in Berlin lebt, tut das freilich keinen Abbruch. Wo Sprachakrobatik versagt, rettet sich der 53-Jährige mit großartigen, theatralischen Gesten oder einer gekonnten Imitation (brillant: Staub als Struck). Und wer bringt es schon fertig, effektvoll in rotes Scheinwerferlicht getaucht, Faust und Mephisto gleichzeitig zu mimen?
Zwei Seelen wohnen, ach, in des Kabarettisten Brust. Doch nicht nur zwei, nein, Staub lässt gleich seine ganze 47.000-Seelen-Gemeinde Lörrach im Wiesental auf der Bühne erscheinen: „Para-noia-Paule“ oder die versponnene „Tröntle-Elisabeth“, der „Schreiner-Erich“, der Jäger ist und „dr Jäger“, der eigentlich Elektriker ist.
Scharfsichtig, aber liebevoll zeichnet der Kabarettist die Eigenheiten seiner Landsleute nach – „und ewig lockt der Bollenhut“. Auch den Dischinger Älblem schienen all die queren Charakterköpfe nicht unbekannt zu sein. Genau so wie die Lehre, die aus den kleinen absurden Geschichten spricht: Das ganze Gezänk der großen Politik – hier wird es ausgetragen, hier an der „Heimatfront“.