Michael Altinger in der ARCHE: Zuschauer vor Lachen erschüttert
Ein Albtraum jedes Künstlers dürfte jener Zuschauer sein, der durch seinen Spontanauftritt kurz mal das Programm samt Künstler in den Hintergrund treten lässt.
So wie der „Wurzelsepp“ am Sonntagabend in der ARCHE Dischingen, der das Motto des Abends „ich sag’s lieber direkt“ dem Künstler auf urige Art und Weise um die Ohren schlug, in-.dem er ihm einfach direkt nach Ende des regulären Programms sagte, dass er jetzt nach Hause müsse. Da hat er g’schaut, der Herr Künstler, der Herr Michael Altinger aus Strunzenöd, und es entwickelte sich ein herrlich skurriler Dialog zwischen Wurzelsepp und Strunzenöder, bei dem sich zwei Fragen aufdrängten: beim Publikum, ob dieser Auftritt geplant gewesen sei, und beim Künstler, ob er den Wurzelsepp nicht künftig ins Programm einbeziehen könnte.
Das wäre sicherlich ein Clou, aber, das sei Michi Altinger zur Beruhigung gesagt, das Programm auch ohne Wurzelsepp ist schon ein richtiges Fest für alle Kabarettliebhaber. Der Altinger zieht halt richtig vom Leder und sagt’s ganz direkt, was er von den gesellschaftlichen Auswüchsen unserer Zeit hält. Von Smartphones für Kiemkinder beispielsweise, die natürlich dringend benötigt werden, „falls mal was is'“.
Und nur deshalb, „falls mal was is'“, haben die Kinder ja auch ständig Finger und Augen auf dem Mobilfon, auch dann, wenn man persönlich sprechen könnte. Ganz direkt spricht er sie aus, der Altinger, die Sehnsucht nach Autos ohne Navis, so wie früher, als Familien gegründet wurden, nur weil man mal nach dem Weg fragen wollte, und auf Raststätten anhielt, um Federkiel und Tinte bat, um eben ein bisschen Lyrik zu verfassen. Und ganz direkt prangert er sie an, die Angst vor dem Nichts, die zu Zumba, Extrem-Power-Popo-Kratzing und anderen Selbstoptimierungsmaßnahmen führt, nur weil sich das Nichts so schlecht auf Facebook posten lässt.
Mit von der Partie auf diesem nicht nur gesprochenen, sondern gar auch gesungenem Rundumschlag gegen alles Unnötige, worunter auch die Kommentiersucht der Nutzer aller Medien einen der Spitzenplätze einnimmt, ist Altingers Band, bestehend aus Martin Julius Faber an Klavier, Gitarre und Bass und ansonsten willkommener Sidekick für den Kabarettisten, der alles geduldig erträgt und punktgenau die richtige Begleitung für AltingersSingpartien liefert.
Gut, singen kann er nicht unbedingt, das ist aber wurscht, weil er sich so herrlich durch die Genres zappelt, tanzt und dabei herrlich die Stars der Szene persifliert – von Oper über Heavy Metal mit dem schönen geschrienen Kracher „Stille“ und französisch angehauchte Chansons bis zur philosophischen Ballade „Manchmal sollt‘ man öfter mal a Gaudi ham“.
Geglückt, Herr Altinger, an diesem Abend hat die voll besetzte ARCHE öfter mal eine Gaudi gehabt, um es mal bescheiden auszudrücken, mit den schrägen Typen aus Strunzenöd rund um Tante Augenia und den anderen Rokoko-Katholiken, die Glanz und Gloria in den Kirchen sehen möchten statt Verzicht und Armut, auch wenn Jesus vielleicht lieber in einer Skihütte wäre, aber da kann man ihn halt nicht brauchen.
Ob man den Regionalkrimi brauchen wird, den Altinger schreiben will, ist angesichts der herrschenden Flut solcher Lektüre fraglich.
Im Grunde reicht es vollkommen aus, wenn Altinger weiterhin über Titel sinniert und Angebote wie „Aufstreichen und Abschmieren am Königssee“ oder „Der Schweinskopfsülzenmörder in der Hallertau“ sinniert.
Und eine Anregung sei gestattet an dieser Stelle: Wenn Altinger beim nächsten Mal einfach ein wenig Pizza Bavaria zum Probieren mitbringen könnte? Denn garantiert hat auch beim nächsten Mal niemand der Zuschauer ein Pfund Rinderhack dabei. Denn ein nächstes Mal wird es doch hoffentlich geben, sämtliche der vor Lachen erschütterten Zuschauer würden das ganz sicher begrüßen – inklusive Wurzelsepp.
Vor oder auf der Bühne, das wird der Herr Altinger schon richten.