Ein Ding der Unmöglichkeit


Bericht von Manfred F. Kubiak, Heidenheimer Zeitung vom 20.02.2015 17:55 Uhr


15 Jahre „Kleinkunst in der ARCHE“ in Dischingen – eine Erfolgsgeschichte vom Abend der Welt


Dischingen, ARCHE, ausverkauft: Claus von Wagner mischt sich unters Publikum.
Dischingen, ARCHE, ausverkauft: Claus von Wagner mischt sich unters Publikum.

Ein Grund zum Feiern kommt selten allein: Seit 15 Jahren existiert inzwischen der Kulturkreis des Vereins „Freunde schaffen Freude“. Der sorgt seitdem für Kleinkunst in der ARCHE. Und in dieser Sache wurde dort vor knapp vierzehn Tagen die 100. Veranstaltung über die kleine Bühne gebracht. Anlass, ein wenig Bilanz zu ziehen.

Im Grunde ist es ja ein Wunder, dass man sich auch im Jahr 2015 tatsächlich immer noch und sogar zunehmend mit dieser Kleinkunstreihe mitten  auf dem Härtsfeld beschäftigt. Denn dass so ein Unterfangen gutgehen, ge­schweige denn überleben könne, war im Jahr 2000, als Inge Grein-Feil zum Aufbruch blies, zumindest, um es mal vorsichtig zu formulieren, arg bezweifelt worden. Die Unkenrufe waren zahlreich und laut. „Das klappt nie“, hatten selbst Wohlmeinende abgeraten. „Jedenfalls hat uns das nie­mand zugetraut“, sagt Inge Grein-Feil und meint mit „uns“ sich und die fünf weiteren Mitstreiter, die seit jeher, wenn auch in leicht wechselnder Besetzung, die Weichen für die kulturelle Schiene des multisozial tätigen Vereins stellen.

Nicht ganz uneigennützig, das mag schon sein. Aber kann man von Eigennutz reden, wenn der alleinige Zweck dieser Kulturarbeit der ist, ein wenig Kleingeld dazu zu verdienen, um die mannigfachen. und hinreichend bekannten sozialen Aufgaben, denen sich der Verein „Freunde schaffen Freude“ stellt, finanziell etwas besser gepolstert bewältigen zu können. Insofern handelt es sich in Dischingen um die, sagen wir mal veredelte Form des Eigennutzes, wenn am Morgen einer Kleinkunstnacht maximal 200 Euro übrigbleiben, die dann in die Sozialarbeit fließen. Wobei freilich nicht verschwiegen werden soll, dass Inge Grein-Feil durchaus auch ihren Spaß daran hat, sich Kleinkünstler nach Dischingen zu laden.

Ohne den allerdings, und ohne eine kaum zu überbietende Hartnäckigkeit in der Sache auch, wäre solch ein Wunderding wie das Überleben und Wachsen eines Kleinkunstpflänzleins ausgerechnet in Dischingen schlechterdings ja genauso unmöglich gewesen, wie es das prophezeit wor­den war. „In Dischingen?“, hatte man Inge Grein-Feil entgeistert gefragt. „Das liegt doch am Abend der Welt.“ Inge Grein-Feil hatte dem vehement widersprochen:

„Nein“, mitnichten liege Dischingen an besagtem Abend. Um sodann ein wenig einzuschränken:

„Aber man kann ihn von dort aus sehen.“

Inzwischen, fünfzehn Jahre und hundert Veranstaltungen später, wird die Erfolgsgeschichte, die der Kulturkreis mit „Kleinkunst in der ARCHE“ schreibt und geschrieben hat, als so selbstverständlich be­trachtet, dass man sich womöglich wundert, wenn von dieser als solchen die Rede ist. Vergessen wird dabei, dass es eben, bei Lichte betrachtet, von vornherein nicht unbedingt selbstverständlich ist, dass sich jemand aus Heidenheim, Aalen, Dillingen, Ulm, ja sogar Augsburg bei Wind und Wetter, Nebel oder Schnee oder Umleitungen sonntags ins Auto setzt, um an einen Ort zu fahren, der, sagen wir es einmal so, nicht unbedingt der nächste ist.

Inzwischen sind 50 Prozent der Besucher feste Abonnenten. Inzwischen aber, das darf man ebenso erwähnen, finden sich auch Dischinger im Publikum. Zunächst hatte da wohl vor Ort ein wenig Skepsis geherrscht. Übrigens: Weil der Großteil des Publikums zur Kleinkunst nach Dischingen notgedrungen nur im Auto anreisen kann, entwickelte Inge Grein-Feil mit der Zeit ein schlechtes Gewissen der Umwelt gegenüber, was schließlich dazu rührte, dass sich der Kulturkreis in den Spenderreigen für ein Aufforstungsprogramm einreihte. 5000 Quadratmeter Fläche wurden in den ersten fünf Jahren bis 2010 so im Namen der ARCHE schon aufgeforstet. Und den nächsten halben Hektar wird man sich dieses Jahr gutschreiben lassen können.

Man sage also nicht, die „Freunde“ kennten sich nur damit aus, Spenden entgegenzunehmen. Obwohl ohne Sponsoren und Spender selbstverständlich auch die Kulturarbeit der ARCHE so nicht möglich wäre. Kommunale Zuschüsse fließen jedenfalls keine. Und mit den Künstlern handelt Inge Grein-Feil aus Prinzip nicht. „Die müssen von ihren Gagen leben, deshalb zahlen wir in jedem Fall die Gage, die für einen Raum wie den unseren bei dort maximal möglichen 130 Besuchern angemessen ist.“

Die fabelhaften Musikkabarettisten von „Mistcapala“ waren im Jahre 2000 übrigens die ersten, die in der ARCHE die Bühne betraten. Inzwischen gibt es kaum einen Großen oder eine Große der Kleinkunst, der oder die nicht dort aufgetreten ist. Der Größte, der inzwischen verstorbene Dieter Hildebrandt, war sechsmal nach Dischingen gereist – und hatte, nebenbei bemerkt, jedes Mal seine Gage als Spende dagelassen. Wo wir schon dabei sind:

Matthias Tretter, einer von Hilde­brandts ganz, ganz wenigen legitimen Nachfolgern und ebenfalls Stammgast in der ARCHE, hat jüngst 5000 Euro für die „Herz-und Zeitverschenker“, eine, wenn man so will, Vereinsabteilung von „Freunde schaffen Freude“, überwiesen.

Woraus man schließen könnte, dass sich die Künstler in Dischingen genauso wohlfühlen wie das Publikum, das es genießt, hier mehr oder weniger hautnah den großen Tiergarten der Kleinkunst in all seiner Vielfalt erleben zu können. Wobei weder die einen noch die anderen stört, dass die ARCHE als Veranstaltungsort ja alles andere als den Urtyp der Kleinkunstkneipe darstellt. Der Charme des Ortes ist auf den ersten Blick eher ein herber. Inge Grein-Feil fällt dazu ein: „Wir bieten sicher nicht die letztendliche Gemütlichkeit, dafür aber viel Heimat.“

Und das mit Erfolg: Lag die Auslastung der Kleinkunstveranstaltungen in der ARCHE im Jahre 2007 noch bei 71 Prozent, so liegt sie mittlerweile bei 97 Prozent. Knapp 13 000 Besucher wurden in 15 Jahren und bei 100 Veranstaltungen in der ARCHE gezählt. Weil man mit 14 Groß­veranstaltungen seit 2003 auch regelmäßig in Hallen etwa in Dischingen, Dillingen oder Kö­nigsbronn zu Gast war, kommen unterm Strich in 15 .Jahren Kulturarbeit der „Freunde“ sogar knapp 17 500 Besucher zusammen. Nicht schlecht für ein Ding der Unmöglichkeit.