Arche vollständig ausgebucht: Und wiederum findet Dieter Hildebrandt Dischingen auf Anhieb – ausgesprochen liebenswert
Eigentlich hätte man Dieter Hildebrandt ja ein Schleifchen um den Kopf binden müssen. Und obwohl der Kabarett-Altmeister auch nicht aus Torte sprang, war doch sein Auftritt in der Dischinger Arche das Sahnehäubchen des 60. Geburtstags von Inge Grein-Feil, Begründerin der Aktion »Freunde schaffen Freude«.
Als Hildebrandt im Februar 2003 erstmals in der Arche gastierte, war er von Dischingen und dem Härtsfeld dermaßen angetan, dass er der ländlichliebenswerten Idylle gleich ein Kapitel in seinem Buch „Ausgebucht“ widmete. Und „Ausgebucht“ war auch bei seiner Rückkehr wieder Programm: Doch bevor der 78-jährige Hildebrandt in der rappelvollen Arche seine bahnbrechenden Lesereise-Erfahrungen zum Besten gab („Ich les‘ ja gleich!“), (ver-)schaukelte er sein Steckenpferd in bester Scheibenwischer-Manier: Politisches Kabarett, zum Lachen und Schießen, wofür ihn die Gesellschaft gar das „Gewissen der Nation“ nennt. Doch noch einmal zurück zum Anfang: Hildebrandt betritt die kleine Bühne in der Arche und das Publikum erhebt sich – „bin ich hier für eine Familienfeier engagiert?“ Man könnte es fast meinen.
Kaum macht Hildebrandt den Mund auf, schon hat der Zuhörer keine andere Wahl, als sich dem süffisanten Sprachwitz des Meisters zu ergeben: „Habemus Merkel“. Die Union besetze laut „Angie“ nun das Kanzleramt – „kriegt man den Schröder nur mit einem Putsch weg?“ Irrsinnige Wortkombinationen, verdrehte Konstellationen und entlarvende Satzfetzen werden in den Raum geworfen. Phrasen werden abgehackt, bitterböser Zynismus angedeutet, selten ausgesprochen und doch versteht man seinen Wink, als ob der Zaunpfahl auf einen niedersaust.
Hildebrandt hebt den Zeigefinger, kratzt sich mit einem Finger am Kopf (wie einst Cäsar, nur ohne Kranz), klopft auf den Tisch und reißt die Augen auf. Er imitiert Schröders (Weg-) Gang, schlittert von Drogen zu Diadochen, verpasst Hinz und Kunz eine Breitseite, um schließlich beim „Metaphernkönig Eddi“ Stoiber zu landen. „Speaching Control-Coaches“ hätten den CSU-Chef „entstottert“, man könne auch sagen „ent-äh-t“. Was der gegen Westerwelle habe? „I mog koin Außenminister, der ’s Türle von d’r Lederhosen hinten hat“. Das Licht erlischt, von der Bühne poltert es: „Ich hör‘ jetzt nicht auf!“
Hildebrandt fühlt sich pudelwohl, genießt die Lacher, spitzt seine Lippen, blickt erfreut in die Runde, zeigt dem Publikum den Vogel und legt wieder los: Merkel werde immer hübscher – fotografiert. „Ich les‘ ja gleich!“ Aber zuvor werden Wahlkampfveranstaltungen mit der Südkurve verglichen („sinnlose Sprechchöre“), wird Klinsis „Gurkentruppe“ ausgekontert und Mayer-„Vorfehler“ zitiert: „Bei uns verpfeifen sich die Schiedsrichter nicht“. Hildebrandts Irrfahrt durch den alltäglichen Republik-Wahnsinn geht quietschfidel per Bahn weiter: „Ausgebucht“ kommt zur Sprache, sein imaginärer Reisebegleiter Max Mäusel („ein Nestler“) entpuppt sich als nervenaufreibende Lachnummer, während Hildebrandt die Flinte ins Korn wirft, das „Feld der Ähre“ bestellt und dank dem schmierigen „Rums-feld“ lautstarke Brüller erntet. Nebensitzer reiben sich die tränenden Augen, andere halten sich den bebenden Bauch.
Knisternde Bahn-Durchsagen werden dazwischen geschoben, man versteht nur Bahnhof und Hildebrandt wird von seinem selbstironischen Zug erfasst: Auf Rügen sei er einmal als „Dieter Hildegard“ angekündigt worden – „es kamen trotzdem Menschen“, die wohl dachten, Dieter Hallervorden trete auf.
Zugabe um Zugabe gewährt Hildebrandt seinem dankbaren Publikum. Dann ist Schluss. „Die Nachbarn…“, flüstert Inge Grein-Feil und zu Hildebrandt gewandt: „Darf ich mal wieder fragen?“ Der Meister nickt.
Ja, Arche und Dieter bilden eben ein ganz eigenes Kapitel für sich.