Der evangelische Briefmarkensammler


Bericht von Dr. Manfred Allenhöfer, Heidenheimer Neue Presse vom 23.04.2006 15:30 Uhr


ARCHE bietet Kabarett auf einem Niveau wie im weiten Umkreis keiner. Selbst wenn man einen wie Christian Springer nicht kennt



Der größte Gewinn war „Fonsi“ selber: Der Kabarettist Christian Springer kam vom Stuttgarter Theaterhaus in die Dischinger ARCHE. (Am 3.Juni, 20:15 Uhr ist er in der ARD-„Scheibenwischer-Gala“ zu sehen). Nach seinem anregenden Auftritt wurden wieder zwei Freikarten verlost.




Es gibt sie noch: Kabarettisten, die so alt (jung) sind wie die ebenso unzähligen wie unsäglichen „Comedians“, die das deutsche Verbal-Unterhaltungsprogramm so dominieren. Der Bayer Christian Springer ist dabei weder politischer Missionar noch unpolitischer Komiker – aber hochgradig komisch ist er schon, wenn er als „Fonsi“, als „Kassenmann von Neuschwanstein“, auf der Bühne steht. In der ARCHE hielt er das, ganz ohne Durchhänger und ganz allein, brutto zweieinviertel Stunden durch.

„Fonsi“ kommt daher wie ein Eisenbahnschaffner, mit Kappe, altmodischer Krawatte, dunkelblauem Kittel und grauer Trevirahose. Doch diese Figur des „Kini“-Kassie­rers, der wachen Auges den globalen Andrang auf sein bayrisches Schmuckstück begutachtet, strapaziert er nicht; sie hat eher rahmende Funktion. Gleichwohl bleibt dadurch die Inkarnation des knitzen kleinen Mannes, schon in seiner Erscheinung, beständig präsent.
Pfiffig, wenngleich meist nicht hochgradig analytisch, steigt er ein in Absonderlichkeiten des Weltgeschehens heute (Fonsi findet ein möglicherweise mohammedanisches Kopf­tuch, hält es in Händen: „Also trage ich ein Kopftuch“. Was nun?) wie in die Tiefen der Weltgeschichte. Er inter­pretiert den Mann-Frau-Konflikt auf Neandertal-Niveau. Oder erzählt das Weihnachtsgeschehen neu, der Erzengel avanciert zum himmlischen Pressesprecher. Ach, übrigens: „Das große alte Rom war scheiße“. Oder er blickt in die Zukunft, wenn das heutige München unter einer tiefen Erdschicht ausgegraben wird: Was denken sich die, wenn sie auf den Viktualienmarkt stoßen? Im Mittelpunkt aber steht die Gegenwart, etwa 2006: Jahr des Papstbesuchs, der WM – „Klasse für den katholischen Fußballfan. Aber was macht der evangelische Briefmarkensammler?“

Ansonsten ärgert ihn primär das „deutsche Jammer-Gen“.
Das alles ist, zumal Springer es mit durchgehendem Augen­zwinkern und aufreizendem Grimassieren begleitet, hochgradig unterhaltsam. Neue politische Einsichten zu vermitteln ist seine Sache nicht: „Machts weiter so“ ist der Titel seines Programms, das dadurch schon sinnbildlich belegt, dass das gute alte Brettl immer noch herzhaft bevölkert wird. Aber bei aller Kontinuität (auch und gerade aus der bayerischen Ecke, zu der sich „Fonsi“ bekennt, schon vom Zungenschlag ganz unverkennbar) – er ist anders als die vor 30 Jahren. Und es ist gut so.

Wenn er Verständnis hat für die Kinderlosigkeit und damit für das drohende Aussterben der Deutschen („wenn jetzt ein Kind geboren wird, wird’s ja dick & blöd!“), dann ist das ein kulturkritischer Ansatz, den er in Komik kleidet.
Springer imitiert keinen seiner großen bayerischen Kollegen, keinen Polt oder sonstwer. Und er kupfert auch nicht ab von den Biermösl Blosn, wenn er zweimal seine Zither hervorholt und Lohengrin und Bohnerwachs besingt.
Seine Stimmbänder schont er nicht; und er argumentiert und grimassiert (und improvisiert gelegentlich) mit unübersehbarem Spaß. Der vermittelt sich. Dem Dischinger Publikum (das, obgleich der Springer hier ja kein geläufiger Namen ist, doch überraschend zahlreich erschien) hat’s bestens gefallen. Und hat mächtig applaudiert, als Springer Inge Grein-Feils Frage, ob er nicht mal wieder kommen will, spontan bejahte. Bis dahin, wir versprechen’s, halten wir sein Motto aktiv in Ehren:“Man kommt schon immer ins Nachdenken, wenn man so rümgrübelt“.