Ernst Mantel führt bei seinem Gastspiel in der ARCHE einmal mehr mit großem Erfolg den „umgekehrten Weißkitteleffekt“ vor.
Mit seinem aktuellen Programm „Gell“ machte Ernst Mantel am 3.2.19 Station in der ARCHE. Die war, trotz heftigen Schneetreibens, wie immer mit 130 Besuchern bis auf den letzten Platz besetzt. Autokennzeichen bis aus dem Stuttgarter Raum zeigten an, dass der Kabarettist seinen Ruf nicht nur vor Ostälblern und Härtsfeldern zu verteidigen hatte. Unter der weißen Pracht verschwanden augenblicklich sogar Alfons Jackls innerörtliche Schlaglochpisten. Und Inge Grein-Feil, die Kapitänin der ARCHE, zeigte sich wie immer in größter Stimmungslaune, kam sie doch direkt vom Seniorenfasching, das Kostüm noch angelegt. So konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Tat es auch nicht. Auch Mantel ließ von Beginn an durchblicken, dass er die ARCHE inzwischen als sein heimliches Wohnzimmer betrachtet, denn in Dischingen gehört er zu den Tätern, die sprichwörtlich immer wieder zu den Orten ihrer Untaten zurückkehren. Mit seinem Duopartner Heinrich, der an diesem Tag verdienstvoll zu Hause blieb, füllte er auch schon die Dischinger Turn- und Festhalle. In der ARCHE bewies Mantel, dass er auch mit den intimeren Situationen zurechtkommt, wenn sich im direkten Kontakt mit dem Publikum, Aug in Aug sozusagen mit dem Schwaben, sein komisches Talent erst so richtig entwickelte.
Schwaben unter sich
Auf dem Härtsfeld nämlich, das stellte sich durch die teils enthusiastischen Reaktionen des Publikums sogleich heraus, befindet sich das schwäbische Idiom in all seinen dem Nichtmuttersprachler nur schwer bis gar nicht nachvollziehbaren Verästelungen noch nicht im Niedergang, sondern wird im Alltag noch gesprochen und gepflegt.
Man befand sich also unter sich. Für Mantel ist dies ein technisches Problem, denn „Scheißenbach“, wie es in einem seiner Lieder heißt, ist überall oder vereinfacht ins Hochdeutsche transformiert: In Schwaben ist der Schwabe allgegenwärtig. Und wo man sich bettet, da liegt man, sein Geschäft verrichtet man woanders. Der Kabarettist aber muss also gerade das Völkchen auf die Schippe nehmen, das vor ihm sitzt und sich eigentlich amüsieren und jedenfalls nichts von seinen Fehlern und Eigenheiten hören will.
Selbstironie heißt das Zauberwort, das Mantel einen humorvollen Zugang in die schwäbische Seele finden lässt: Er ist einer von uns, ist das Grundgefühl, das er im Publikum mobilisieren kann. So kommt der Schwabe von der Ostalb mit so manchem Gag davon, für den man einen „Neigschmeckten“ gar nicht so belustigt auf die Mistgabel gespießt hätte.
Vom Dischinger Publikum indes werden Mantel und sein musikalischer Partner Daniel Borgesser auf Händen getragen. Mantel selbst spricht im Programm davon, dass sein Erfolgsrezept in einer Art „umgekehrtem Weißkitteleffekt“ zu suchen sei.
Es liegt vor allem daran, dass es Mantel kaum. gelingt, ein Thema aufs Tapet zu bringen, dass seinen Zuhörern nicht geläufig ist, ihnen nicht irgendwie bekannt vorkommen würde.
So hält er den Schwaben einen, Spiegel hin, in denen sie sich narzisstisch-beglückt wiederfinden können, ohne beim Therapeuten dafür viel Geld ausgeben zu müssen.
Humor ist definitiv die beste Medizin, auch für die Schwaben, denen dieser gerne abgesprochen wird. Oder mantelisch ausgedrückt: „Privat fällt es ihnen schwer, Negativerlebnisse nicht ausschließlich auf sich zu beziehen“. So arbeitet Mantel – seit über 30 Jahren äußerst erfolgreich der schwäbischen Katharsis. U der Schwabe erweist sich nicht undankbar.