Das unverwüstliche Multitalent Hämmerle eskalierte brillant


Bericht von Niklas Junkermann vom 06.01.2024 18:00 Uhr


Foto: Siggi Feil

Die ausverkaufte Arche ist am Dreikönigstag fest in der Hand von Herrn Hämmerle. Aufgrund dieser Nachricht haben an dem Abend so viele Menschen ihren Weg nach Dischingen gefunden; weil sie erleben wollen, wie genau dieser Herr Hämmerle laut eigener Ankündigung „eskaliert“. Und sie wurden nicht enttäuscht.

Herr Hämmerle (Bernd Kohlhepp)  betritt mit einer Schimpftirade in breitem Schwäbisch die Bühne und zieht sofort alle Anwesenden in seinen Bann. Hämmerle soll fortan an dem Abend das Publikum immer wieder in das Bühnenprogramm einbinden. Wie gefragt er wirklich ist, lässt sich schon daran erkennen, dass mit einer kurzen Umfrage von „Freunde“-Vorsitzender Inge Grein-Feil, gut die Hälfte des Publikums per Handzeichen angibt, zum allerersten Mal in der integrativen Arche Dischingen zu sein. Kohlhepp entspinnt von Anfang an ein Netz aus Geschlechterrollen, zwischenmenschlichen Beziehungen, Missverständnissen zwischen Mann und Frau und echten Männerfreundschaften. Der Kabarettist versteht es meisterhaft, in heimeliger, dialektal untermalter Atmosphäre Bilder im Kopf hervorzurufen, die jeder auf die eine oder andere Weise schon einmal selbst gesehen und erlebt hat.

Es sind vielfältige, allzu bekannte Themen, über die Herr Hämmerle sich in den gut zweieinhalb Stunden genüsslich aufregt. Berichte aus dem Alltag über Flugreisen oder die morgendliche Einkaufsrunde beim Bäcker untermalt er stets mit einer nachdenklichen Note. Viele zunächst ausschließlich komödiantisch anmutenden Erzählungen enthalten deutlich mehr Tiefgang und Nuancen, als man zunächst vermuten mag. Besonders das Thema Einsamkeit und Alleinsein erscheint auf den zweiten Blick in einem neuen Licht: Wie bedrückend eine leere Wohnung scheinen kann und welche Gefühle das Verlassenwerden auslöst weiß auch ein Herr Hämmerle mit viel Witz aber auch der notwendigen Emotionalität zu berichten.

Der Kabarettabend war das erste Event zum Jubiläumsjahr „40 Jahre „Freunde“ und ein dezenter Hinweis auf die Baden-Württembergischen Heimattage, bei denen Dischingen zusammen mit Neresheim und Nattheim 2024 Gastgeber ist.

Bernd Kohlhepp trifft mit seiner schwäbischen Mundart in Form von Kabarett und eigens komponierten Liedern genau ins Schwarze. Seine Rock ‘n‘ Roll-Darbietungen bringen den Saal immer wieder zum Klatschen und Mitsingen. Vor allem das Einbeziehen des Publikums in seine Gags und sogar in seine Liedtexte weisen ihn als versierten Improvisationskünstler aus. Er versteht es ebenso brillant, während seines Auftritts geschaffene Witze immer wieder aufzugreifen und bis zum Schluss auszuarbeiten. Und vor allem ein Umstand sorgte für einen erfrischenden Abend: Bis auf einige wenige Bezüge zu aktuellen Nachrichten lebt Kohlhepps Auftritt von wohlbekannte Alltagssituationen und abenteuerlichen Gedankenspielen und war nicht auf Krieg, Krise oder Zukunftsangst angewiesen. Ein ebenso ungewöhnlicher wie befreiender Schachzug.