Eigentlich wollte Arnulf Rating nur kurz, die Zeitungen zum Altpapier bringen. Doch bei einrer Schlagzeile der „Bild“-Zeitung wurde er dann stutzig. „So wird 2020 ihr Glücksjahr“ titelte das Blatt Ende Dezember vergangenen Jahres. Naja. Dieses Versprechen hat angesichts der aktuellen Lage im Nachhinein einen ganz besonders bitteren Beigeschmack. Dachte sich auch Arnulf Rating: „Am 14. März war Lockdown. Da habe ich aufgehört, Kabarett. zu machen.“
Die Weltpolitik dieser Tage, das sei der reinste Affenzirkus, wer brauche da noch Kabarettisten? Ganz lassen konnte Rating es dann aber doch nicht. Mit seinem Programm „Zirkus Berlin“ gastierte ei: am Donnerstagabend im Rahmen von „Kultur in der Arche“ in der ausverkauften Dischinger Egauhalle. Ausverkauft, jedoch nicht voll besetzt, wohlgemerkt. Von rund 120 Karteninhabern tauchten nämlich nur etwa zwei Drittel auf.
„Das beste Publikum“
Rating störte sich daran nicht: „Sie sind mit Abstand das beste Publikum“, eröffnete der Wahl-Berliner die Show mit Blick auf die auseinandergerückten Sitzplätze. Und legte damit den Grundstein für sein Kabarett-Programm. Denn was folgte, war ein rund zweistündiger, nahezu ununterbrochener Wortschwall zu Corona, Politik, Gesellschaft, mehr Corona, Pharmazie, Kapitalismus und – wer hätte es gedacht – noch mehr Corona. Ein Rundumschlag gegen so ziemlich alles, was die Menschheit in den vergangenen zwölf Monaten bewegt hat.
Etwa die sinkenden Umfragewerte der Grünen („Diese Kurve müsste man mal flach kriegen.“) oder Philipp Amthors äußerliche Erscheinung („Der sieht aus, als würde seine Mutter ihm noch das Butterbrot schmieren und, gleichzeitig,
als ob er bereits die erste Schmiergeldaffäre hinter sich hat.“). Stets mit einem Stapel Zeitungen im Arm blätterte und plauderte sich Rating durch das Corona-Jahr – mal mit klarem Ziel vor Augen, mal munter zusammenhanglos. Dass bei durchschnittlich zehn Gags pro Minute ,aber eben nicht jeder einzelne zündet, schien auch Rating bewusst zu sein. Und hin und wieder greift eben auch ein Veteran des deutschen Kabaretts ins Klo.
Wenn Ratings Hausmeister-Alter-Ego mit häuslicher Gewalt kokettierte oder Rating selbst den Suizid des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer mit einein Augenzwinkern ins Programm einbezog, löste däs zu recht lediglich verhaltene bis unsichere Lacher beim Publikum aus.
Bisschen Stirnrunzeln.
Für das ein oder andere Stirnrunzeln sorgte zudem Ratings finaler Appell. So sprach , er von den „Angstmachern des Robert-Koch-Instituts“ und forderte, man solle nicht so sehr auf Experten hören, sondern sich selbst informieren. Ein unverholenes. Bekenntnis zur Fraktion der Corona-Leugner oder doch eher Satire, die so, nuanciert ist, dass sie schlichtweg am Publikum vorbeiging? Man weiß es nicht.
Satire-Dauerfeuer
Bei Arnulf Rating weiß man nach Ende der Show generell nicht so recht, was einen da gerade erwischt hat. Zwei Stunden gesellschaftskritisches Dauerfeuer, Satire ohne Punkt und Komma – vermutlich schwirrt Rating selbst am Ende der Kopf. Und vermutlich ist das aμch der Grund, warum zwei der Rollen, in die der Kabarettist während der Vorstellung schlüpfte, eine Krankenpflegerin sowie ein Arzt waren. Denn auch ein Arnulf Rating braucht vielleicht manchmal Ruhe vor sich selbst – Ruhe, und eine Packung Aspirin.
BU: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur in der ARCHE“ trat am Donnerstag, 15.10.2020 der Kabarettist Arnulf Rating in der Egauhalle Dischingen auf. Es war ein Corona-Nachholtermin vom 19.04.2020.