Brillante Stippvisite bei Rio Reiser auf der Wolke


Bericht von Inge Grein-Feil/RR vom 09.03.2020 08:00 Uhr


Überzeugendes theatermusikalisches Kammerspiel über Rio Reisers Biografie.

Das Leben von Rio Reiser, dem Frontmann der Kultband „Ton Steine Scherben“ war wie eine Achterbahn-Fahrt. Wer erinnert sich nicht an „Junimond“ und „König von Deutschland“?

Schauspieler und Sänger Rudi Rhode sang nicht nur einfach Reisers Songs aus dessen Zeit bei der Kult-Band „Ton Steine Scherben“, die ihren Zenit in den 1970-er Jahren erreicht hatte. Der Einladung zu diesem exklusiven Abend waren jedoch nicht nur Zeitgenossen gefolgt, die damals zu den Fans gehörten, sondern auch interessierte junge Leute. Rudi Rhode agierte auf der Kleinkunstbühne der ARCHE als Solokünstler, spielte ein bisschen Theater und alle Darbietungen ergaben eine handfeste theatermusikalische Biografie des unvergessenen Rio Reiser. Der 63-jährige Schauspieler brachte auf einer fiktiven himmlischen Wolke, auf der sich Rio seit seinem viel zu frühen Tod vermutlich befindet, Reisers Geschichte vom Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg dem Publikum so nahe, dass man zeitweise eine Feder hätte fallen hören.
Für Stimmästheten waren die 13 vorgetragenen Lieder zu eigener Akkordeonbegleitung natürlich nichts. Doch damit lag Rhode auch wieder voll im authentischen Soll. Denn auch Reiser hatte im konventionellen Sinne keine schöne Stimme. Stattdessen überzeugte er mit markanter, von Drogenkonsum gezeichneter Stimme – gepflegte Grölerei in Bariton gegen Kapitalismus, Konsumgesellschaft und natürlich Kirche und „Bullen“. Rhode schlüpfte in seinen Schauspieleinlagen in insgesamt acht Rollen. Unter anderem Udo Lindenberg, mit dem sich Reiser nach Herzenslust darüber in die Wolle kriegte, wer sich denn nun als Begründer des Deutsch-Rock bezeichnen dürfe. Dialoge mit viel Humor brachte der Schauspieler besonders dann zustande, wenn er die marxistischen Lehren absichtlich ad absurdum führte. Ganz nach der Devise: Was mein ist, ist dein. Alles müsse geteilt werden. „Kein Privateigentum, auch nicht die Partnerin“, lässt Rhode Reiser sagen.
Spätestens mit dem Album „IV“ von 1981 sagte sich die Band von linken Parolen los. einige Jahre später kam Rio Reisers Solokarriere in Fahrt. Eindrucksstark bringt Rhode Reisers Innenleben zur Geltung, das eines homosexuellen Mannes. Denn trotz toleranten Mitmenschen in der Linken Szene sah sich Reiser als „anders und einsam“.
Es waren gerade diese unglücklichen Gefühle, die den gebürtigen Berliner bis zum Beginn seiner Solokarriere umtrieben. „Rio I“ hieß das 1986 erschienene Album, das ein beeindruckendes Comeback bedeutete. Zehn Jahre später verstarb der erste „König von Deutschland“ am 20. August 1996. Seine sterblichen Überreste wurden in Fresenhagen beerdigt, dort wo er lange in einer Landkommune gelebt hatte.

Beim Dank an den Schauspieler Rudi Rhode betonte Veranstalterin Inge Grein-Feil mit überzeugter Stimme, dass viele der Reiser-Songtexte (leider) noch immer auch in unsere Zeit passen – nur nicht begrenzt auf Deutschland, sondern auf vieler Länder unserer geplagten Erde. Schon deshalb wäre so ein ehrendes Andenken an diesen Ausnahmekünstler angebracht.