Vom Bauch her ein Kopfmensch


Bericht von Dr. Manfred Allenhöfer, Heidenheimer Zeitung vom 26.10.2010 19:16 Uhr


Ernst Mantel begeisterte in der ARCHE mit unglaublicher Pointendichte



Ernst Mantel „Ernst Unernst“


Der Mann ist eine echte Rampensau – nur weiß er das sehr geschickt zu verbergen: Wenn Ernst Mantel seine additiv vorgetragenen Nummern ansagt, wirkt er eher ein bisschen spröd. Aber dann – dann legt er los. Stürme schwäbischen Grob- wie Feinsinns (letzteres gibt´s auch – typischerweise gepflegt im landesüblichen Understatement) fegen dann von der Bühne.

Mantel bedient ausgesprochen typenreich die unterschiedlichsten Klischees vom Menschen im Allgemeinen und Schwaben im Speziellen – mit einem oberknitzen Hintersinn, der manchmal auch braucht, bis er sich öffnet.

Ernst Mantel, der mit seinem neuen „Alleinunterhalter“-Programm „Solo, aber noch nicht einsam“ in die ARCHE gekommen war, ist Landes-Kleinkunstpreisträger. Und er ist eine gute Hälfte von „Ernst und Heinrich“, die dieselbe Auszeichnung im Jahr zuvor erhalten haben. Mantel hat also, was einmalig sein dürfte, den begehrten Preis zweimal bekommen. Und Mantel ist ein starkes Drittel der „Kleinen Tierschau“ gewesen, die früher, auch regional, die Säle gefüllt hat – und die sich jetzt als Duo, wie man hört ein bisschen schwer tut. So musste ja auch der Giengener Auftritt der kleinen „Kleinen Tierschau“ Ende dieser Woche abgesagt werden.

Ernst Mantel aber hat die ARCHE gefüllt – und er ist ein unglaublicher Könner. Und das auf ganz verschiedenen Ebenen: Er ist es, erstens, als Verfasser höchst sprachbewusster, hintersinniger, manchmal hinterfotziger, immer aber unglaublich ausgefuchster Texte. Das ist mal fast schon philosophisch, mal scheinbar derb und schwäbisch grob – immer aber bühnenwirksam elaboriert.

Er ist, zweitens, ein vortragender Kleinkünstler von unglaublichem Variantenreichtum. Blitzschnell rutscht er in die unterschiedlichsten Typen; meist schon genügt eine schlagartige Veränderung von Tonlage, Aussprache und Mimik. Requisiten (wie Brillen oder Perücken) nutzt er selten – brauchen tut er sie eigentlich nicht.

Wenn er sich mit „Basis-Demokratie“ beschäftigt und in Wirklichkeit einen Stammtisch meint, wechselt er, wie wenn er einfach einen Schalter umlegt, Alter, Mentalität, Grade der Dumpfheit -und gelegentlich selbst die landsmannschaftliche Zugehörigkeit. Einen Zungenschlag später ist er wieder ein ganz anderer Typ -und klopft jemand ganz anderen auf den Hinterkopf. Das ist große Kleinkunst-Könnerschaft.

Und, drittens, ist er auch ein guter Musiker, der mit Gitarre oder Mandoline das Publikum mitzureißen versteht – indem er die unterschiedlichsten Stile und Kulturen aufruft: vom greisen Schlagerfuzzi bis zum Rapper, der keinerlei „Mangel an Defiziten“ aufweist. Musikalisch wandert er von der schwäbischen Provinz,. über kalauernden Istan-„Bullshit“ bis zum globalen „Scheißabach“. Ein begnadeter Sänger ist er freilich nicht. Aber er trägt druckvoll vor – auch das kommt an.

Über zwei Stunden lang prasseln die Pointen aufs Publikum, keine Sekunde ist langweilig. Mantels Pointendichte ist erstaunlich.

Aber er ist ja auch nicht einfach ein „Alleinunterhalter“, sondern ein schillernder Typen-Abrufer. Seiner „mother language“, dem Schwäbischen, ringt er die unglaublichsten Facetten ab. Seine Devise dabei: „Vom Bauch her bin ich ein Kopfmensch“.

Mal heischt er um eine „Runde Mitleid für uns Männer“, nach angeblich drei ex-geleerten Weizen; seine „embierischen“ Weisheiten sind verbunden mit heftigem Ganzkörper-Jucken: „Hoffentlich keine Hefe-Allergie“. Mal ist er ein sensibler Liedermacher (mit dem Zyklus „Lieder vom Erzeuger“, strotzend von „fairen Ideen“), mal ein kraftstrotzender Barde. Oder ein notorischer Pechvogel, dem beständig „d’r Lappa“ abhanden kommt. Oder der pseudoerfolgreiche  Economy-Man, der im Disput mit der Deutschlehrerin „mehr support“ für die heimische Mundart fordert. Oder  der Opa, der mit seinem „Äntonie“ rücksichtslos eine Arztpraxis durchpflügt. Oder ein schwäbischer Partymacher, der’s nach dem Genuss einer Lidl-Dose krachen lässt.

Mantel ist ein Wortkaskadeur, ein Satzspiralendreher. Er verbindet scheinbar vordergründigen Wortwitz mit feingestrickter semantischer Verbal-Hornung.

Ein Könner also, ein Profi – der dennoch zugibt, durchaus Nervosität zu kennen: In Dischinger war er einen Tag vor der Premiere eines neuen Programms im Stuttgarter Renitenztheater. Groß ablenken aber tut ihn das nicht.

Mantel versprach, im abschließenden, obligatorischen Dialog mit Inge Grein-Feil, wiederzukommen: im Doppelpack „Ernst und Heinrich“.