Bittersüßes Kabarett mit Birgit Süß und Werner Goldbach in der ARCHE
Sie könnte ja, wenn sie wollte: ihrem Namen gerecht werden, die Süß. Aber meist will sie nicht. Und wenn es unbedingt sein muss, dann gibt sich die Kabarettistin bittersüß. Ein Genuss für Liebhaber dunkler Schokolade, die in der ARCHE so pünktlich eintrafen wie die ersten Schneeflocken bei Einbruch der Dämmerung.
Dass das Programm Schlag 18 Uhr beginnen konnte, verdankt das Publikum dem Pianisten, dem „nervenberuhigenden Beifahrer“ der Chansonnette, der auf dem Weg nach Dischingen ermutigte, „das Tempo von 120 auf 122 Stundenkilometer zu erhöhen“. Quasi mit Höchstgeschwindigkeit rauschte das Duo aufs Härtsfeld und mitten hinein ins „Paradies und das“.
Gefunden hat sie ihn nicht, den Garten Eden, aus dem Adam und Eva vertrieben wurden und damit in folgerichtiger Konsequenz auch Birgit, „die nicht erwachsen werden will“. Obwohl die 50-Jährige ihre liebe Not mit der „Muddi“ hat. Da ist kein Verständnis fürs kreative Chaos der Tochter. Ist „Mutti-Alarm“, werden die Katzen gekämmt, der Wäscheberg zum Sofa umfunktioniert, „Helene, die Sirene“ und deren Show an Weihnachten erduldet.
Dabei hat das gehorsame Kind überhaupt keine Glotze, stöbert lieber begeistert im Internet. Dort stolpert es über die „Bundeskanzlerin der Herzen“, die nur knapp am Friedensnobelpreis vorbeigeschlittert ist. Nix war’s mit der Schlagzeile der großen Boulevardzeitung zufolge: „Wir sind Friedensnobelpreisträger“. „Wir sind Papst“, „Wir sind Weltmeister“ musste reichen.
Süß und die Welt. Die Welt der Frauen, die so gerne Quoten erfüllen würden, aber regelmäßig scheitern, denn: „Der Wille ist da, der Mann schwach.“ Der soll sowieso ein „Einfühlungsvermögen wie ein Bauzaun“ haben. Männer müsse man, sich schon mal „schönsaufen“, zumal die „Pille davor“ nicht wirklich helfe. Viagra für den Mann diene bekanntlich dazu, „dass er kann, wenn er will“. Und der Sinn von Viagra für die Frau? „Die muss sie nehmen, wenn sie soll, aber nicht will.“
Über wahrlich existenzielle Fragen ist die Kabarettistin im Netz gestolpert, die da lauten: Warum fallen Frauen nach der Menopause nicht einfach tot um? – Kommen Männer jemals aus der Pubertät heraus? – Können Hamster, die bei Nacht schlafen, depressiv werden?
Zu den Fragen, die sich Birgit Süß stellt, hat sie selbstverständlich Antworten parat. Wo lernt man im Alter schnell einen Partner kennen? „Der Friedhof ist die beste Kennlernbörse. Da treiben sich Witwer rum, die anhand der Grabpflege schon einmal eine Vorauswahl treffen. Und ruckzuck hat man einen Pflegefall an der Backe.“ Sich mit dem Tod rechtzeitig zu beschäftigen, wird dringend empfohlen: „Die meisten Mitmenschen befinden sich sowieso im Wachkoma.“
Gepunktet hat die Kabarettistin mit ihren komödiantischen Darstellungen als Mama Picasso und Mama Hitler und ihrem tiefschwarzen Humor. Gepunktet als die Texterin, mit ihren Lebensweisheiten und knallharten Wahrheiten, butterzart serviert, als Sängerin, mit ihrer warmen Stimme, die zur Zeit ihre erste CD produziert.
Mit im Boot sitzt, wie in Dischingens ARCHE am Piano, ein gewisser „Herr Goldbach“. Herr wie Herrmann, wie Herribert, wie Herrkules? Gespielt hat er jedenfalls wie ein junger Gott. Frau Noah, bekannter als Inge Grein-Feil, hat’s kurz vor Schluss aufgelöst: „Wernherr heißt er.“
Birgit Süß soll wiederkommen (klares Votum des Publikums). Birgit Süß wird wiederkommen (Zustimmen der Wiederholungstäterin, die selbst treue Tatortgucker am Sonntagabend spannend zu unterhalten wusste). Birgit Süß darf wiederkommen, (wenn ihr neues Programm steht).
Das paradiesische, in der das CSU der Bayernpartei als christlich, sozial und unmenschlich steht, das Vegetarier aufs Korn nimmt und Fleischliebhabern an den Geschmacksnerv geht, das sich an Dauerpubertierende und Quotenwesen richtet, muss erst noch verdaut werden.