Stänkern, lästern, hänseln


Bericht von Von Annette Grüninger, Heidenheimer Neue Presse vom 17.03.2009 00:00 Uhr


Zwei „Platzende Hirsche“ röhrten in der ARCHE



Hänseln und Händeln als (Klein-) Kunstform praktizieren die „Platzenden Hirsche“ alias Michael Altinger und Alexander Liegl (von links) in der ARCHE.

Ernst und Heinrich, Burr & Klaiber, Hannes und der Bürgermeister: Die bunte Welt der Kleinkunst hat ganz ausgezeichnete Künstlerduos hervorgebracht. Mit Michael Altinger und Alexander Liegl scheint sich ebenfalls solch ein launiges Traumpärchen gefunden zu haben: Trotzdem wurde beim Auftritt der beiden „Platzenden Hirsche“ am Sonntagabend in der mehr als vollbesetzten ARCHE nach Herzenslust gefoppt, gefrotzelt und gemobbt.

Zwei Platzhirsche, pardon: „Platzende Hirsche“ auf einer Bühne – kann das überhaupt gut gehen? Zumal man Michael Altinger ohnehin als wortgewandtes Alpha-Männchen kennt: Dreimal bereits stand der mehrfach ausgezeichnete Kabarettist als Solist auf der familiärgemütlichen Dischinger Kleinkunstbühne.
Da wundert es nicht, dass ARCHE-Vorsitzende Inge Grein-Feil, deren neckische Ansagen mittlerweile selbst Kabarett-Qualitäten entwickelt haben, schon richtiggehend Muttergefühle für den „lieben Michi“ entwickelt hat.
Unterstützung durch einen Partner hat der dabei nie gebraucht. Michael Altinger ist eine multiple Persön­lich­keit, der bei Bedarf mühelos aus seinem Inneren ein ganzes Dorf hervorzukramen versteht, um mit all den wunderlichen, phantasievollen Charakterköpfen aus dem fiktiven Flecken Strunzenöd auf der Bühne zu agieren.
Die Hilfe eines Kabarettkollegen, die hat Altinger auch bei seinem neuen Programm „Platzende Hirsche“ nicht nötig. Noch immer strotzt der sympathische Bayer nur so vor Bühnenpräsenz, noch immer überbie­tet er sich selbst mit aberwitzigen Übertreibungen und absurden Einfällen, poltert unvermittelt in seinem knorrigen Bayerisch los, grantelt, lästert, flucht, um gleich sein schelmisch-ausgefuchstes Lausbuben-Grinsen hinterher zu schieben.

Nein, den Alexander Liegl braucht Altinger dafür gewiss nicht – doch mit ihm scheint sich seine Komik geradezu zu potenzieren. Liegl ist denn auch kein Souffleur oder Sidekick: Ein Alter Ego ist es, der da auf‘ der Bühne steht. Und ein kabarettistischer Kontrahent, mit dem und über den es sich nach Herzenslust stänkern und lästern, schmähen, hänseln und handeln lässt.
Äußerst rasant überschlagen sich da Pointen und Spott, schlagen die satirischen Spitzen in schwin­del­erregendem Tempo Salto. Dass sich der Kabarettkollege in der Kabine die Nasenhaare einzeln zupft, petzt der eine; dass er dafür aber nicht nach jedem Auftritt literweise nachschwitzt, legt der andere nach – von dem im H-Milch eingelegten Leguan ganz zu schweigen.
Dann machen beide wieder ganz auf Carmen Nebel, liegen sich „dr Michi und dr Alex“ wieder in den Armen oder verblüffen durch ihre mehr oder weniger synchronen Tanzeinlagen.
Bleibt Liegl zu Beginn noch ein wenig blass, treten spätestens, nach der Pause seine Konturen stärker hervor. Dann darf der im Württembergischen zu Unrecht noch unbekannte Kabarettist bluttriefende Balladen deklamieren, seinen Opem-Tick ausleben und auch mal höchst unterhaltsam ausrasten.
Immer wieder überlässt Altinger dem Co-Kabarettisten die Bühne. Dann schwatzt sich Liegl etwa mit seinen äußerst unkonventionellen Märchen-Variationen zwar um Kopf und Kragen – das aber gekonnt und äußerst unterhaltsam.
Stehen beide gemeinsam auf der Bühne, plaudern sie launig aus dem Nähkästchen, über das „Bissniss“ und vollgespeite Berghütten oder die Bedeutung von Servietten und Leguanen (siehe oben) für die Inspi­ra­tion. In ihren exzentrischen Rollenspielen bietet sich für Altinger die Gelegenheit, seine weibliche Seite auszuleben, und auch die „ehrlichen Lieder“ wie das gefühlvolle „Auch Frauen können Schweine sein“, die Altinger auf der Gitarre klampft, gehen zweistimmig umso geschmeidiger ins Ohr.
„Scheiß auf die Umwelt – wir red’n über uns“, beschreibt das Duo sein gemeinsames Programm. Und anders als Altingers Soloprogramme enthält das denn auch kaum aktuelle Anspielungen und Kritik am Zeitgeschehen. Viel lieber als gegen Wirtschaftsbosse und Politiker (selbst des bayerischen Kabaretts liebstes Feindbild Edmund Stoiber kommt diesmal ungeschoren davon) richten Altinger und Liegl ihre Spitzen gegen verzogene Bälger, Frauen im Allgemeinen oder, politisch natürlich völlig inkorrekt, kleinwüchsige Männer im Besonderen. Ihr im Bärbeißig-Bayerischen vorgetragener Schlagabtausch zwischen Tom Cruise und Humphrey Bogart mit Kniefall vor dem Publikum zählte zu den humoristischen Höhepunkten des Abends.
Politisches Kabarett bieten die „Platzende Hirsche“ nicht. Vielmehr höchst einfallsreiche, intelligent gemachte und gekonnt umgesetzte Unterhaltung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.