Martin Herrmann präsentierte sich in der ARCHE in seinem Programm „Krippenvorspiel“ durchaus auch musikalisch.
Advents- und Weihnachtszeit – was macht das in unseren Köpfen? Wir denken an Tannenduft, die ersten Schneeflocken, ein wärmendes Feuer im Kamin, leuchtende Kinderaugen, zwanzig verschiedene Plätzchensorten, die es noch zu backen gilt. Geschenke für die Liebsten, möglichst außergewöhnliche. Ach ja. Kerzen. Kerzen auf dem Christbaum, auf dem Adventskranz. In der „Arche“ hat am Sonntag die erste gebrannt. Martin Herrmann lieferte dazu sein „Krippenvorspiel“, bei dem dem Publikum so manches Lichtlein aufging.
Advents- und Weihnachtszeit – ganz schön viel Illusion. Wie soll er duften, der Baum und Kranz aus Kunstfasern? Weiße Weihnacht ist seit Jahrzehnten auf der Schwäbischen Alb, selbst auf dem Härtsfeld, nur noch auf Postkarten zu erleben, die ohnehin kaum noch jemand verschickt. Der moderne Mensch nimmt mit der Zentralheizung vorlieb. Die springt bei 15 Grad plus selbst im Dezember nicht an. Wie soll man heutzutage in leuchtende Kinderaugen blicken, wenn die ihren Fokus auf Smartphone und Tablet richten? Vegane Plätzchen – staub-
trocken. Überhaupt nicht zuträglich für Klima und Figur. LED-Kerzen haben den schönen Schein übernommen. Advents- und Weihnachtszeit – doch nur noch etwas für Satiriker?
Grauer Wolf im Schafspelz
Martin Herrmann ist ein solcher, gebürtiger Günzburger. Das sanfte Schaf, so stellt sich schnell heraus, ist ein schwarzes, ginge aber als grauer Wolf, der sich im bekannten Fell versteckt, ebenso durch. Mit einer Engelszunge kommt Martin Herrmann daher, gibt mit Unschuldsblick (Un)wahrheiten über sich preis. Politisches Kabarett liege ihm nicht. Wer nichts verändern könne, solle besser den Schnabel halten. Fraglich, ob der Spötter Martin Herrmann überhaupt etwas verändern will. Das ein oder andere zumindest einmal gesagt zu haben, ja das schon. So legt er los, der Stammleser der „Apothekenrundschau“, dem der Ruf vorauseilt, ein „Frauenversteher“ zu sein. Der Zölibat mag ihm dabei hilfreich sein. Der bekennende Katholik schreibt die Weihnachtsgeschichte neu. Maria, Josef und das Jesuskind sind für ihn die typische Patchworkfamilie. Junge Frau nimmt sich einen älteren Mann, das Kind ist nicht von ihm. Dass es sich bei den Dreien um eine Flüchtlingsfamilie handelt, weiß vermutlich jedes Kind. Der Heilige Geist ist verantwortlich für den Familiennachzug.
Obwohl Herrmanns Programm „Krippenvorspiel“ heißt, drehte sich nicht alles um Ochs und Esel. Und wenn doch, dann gut versteckt. Immerhin ging es um Politiker und ihre Wähler, um Erziehung, Konsumverhalten, Klimawandel, (Schul)bildung, Einbildung und lieber einmal Nachdenken beim Umdenken.
Das nähere Hinschauen hat den Gesellschaftskritiker zu Fragen veranlasst, die da lauten: Hinterlassen Chirurgen Operationsbesteck im Körper eines Patienten, um Müllgebühren zu sparen? Darf man Moor noch sagen, wenn man gar nicht weiß, wie man es schreibt? Lernen Eltern ihre Kinder endlich kennen, wenn das Personal der Tagesstätte streikt? Sollte man seinem Partner tatsächlich eine Niere schenken, wenn damit zu rechnen ist, dass der Spender eher abgestoßen wird als das Organ?
Klar hat Martin Herrmann geblödelt, gesungen, sich auf Gitarre und Eierschneider begleitet, bewiesen, dass seine Preise als Kabarettist, Satiriker, Liedermacher, Texter, Barde, Rapper nicht von ungefähr kommen. Und Martin Herrmann verschenkte an jeden fünften der 120 Besucher eine CD. Die „Arche-Chefin“ griff beherzt nach einem T-Shirt mit der Aufschrift „Herr der Inge“, wohl wissend, dass der Gesellschaftskritiker einmal mehr damit Lese- und Rechtschreibschwächen vorführte.
Treuherzig hat Martin Herrmann versprochen, dass er ganz gewiss wieder einmal aufs Härtsfeld kommt mit all seinen vielen Gaben. Sein bescheiden klingender Schlusssatz dazu: „Egal, was auf der Bühne passiert: Das Publikum macht den Abend.“ Mit dem kann der wiederentdeckte und hoffentlich nicht mehr so schnell untergehende Stern am deutschen Kabaretthimmel nun wahrlich zufrieden sein.