Am Ende Illusionskünstler: Kabarettist Ernst Mantel in Dischingen
Mantel heißt er, schwäbisch schwätzt er. Meischtens. Allerdings kennte er, wenn’s darauf ankommt, auch seinen Seneca. Und seinen Juvenal und seinen Montesquieu ebenso. Und auch wenn .er auf der einen Seite sich nicht davor scheut, geradezu hymnisch den bescheidenen Schwarzwurstring zu besingen, so darf sich sein Publikum andererseits doch ganz sicher sein, dass er auch die Kunst des Aphorismus in geradezu Lichtenberg’scher Manier beherrscht: „Hunde, die beißen, bellen nicht.“ Da muss man erst mal draufkommen.
Ernst Mantel also. Und selbstverständlich war die Arche in Dischingen am Sonntagabend bis auf den letzten Platz ausverkauft. Schon seit Tagen. Der Mann hat in vielen erfolgreichen Jahren auf den verschiedensten Ebenen der Klein- und Großkunst unzählige Freunde gewonnen. Ganz ohne Facebook, was heutigentags ja inzwischen als Ding der Unmöglichkeit gilt.
Ernst Mantel also. Da weiß man, was man hat und – ist doch immer wieder überrascht, was und vor allem in welcher Form dieser Barde vor allem dem Alltag mit sprachlichem und musikalischem Tiefgang die alltäglichsten Seiten schön sonderlich abzugewinnen imstande ist.
Mantels Hintergründigkeit ist enorm, seine Wandlungsfähigkeit im Übrigen auch. Sich eine Brille aufzusetzen, ist das Höchste an Verkleidung, das er sich zwischendurch zweimal erlaubt. Und zweimal steht beziehungsweise sitzt ein vollkommen anderer Mensch auf der Bühne. Wobei sein ökologisch-fairer Liedermacher, als der er sich bei einer dieser Gelegenheiten ans Werk macht, mimisch-musikalisch schon ein regelrechter Coup ist.
Bei Mantel sucht den Schwaben als solchen dessen bucklige Verwandtschaft und Bekanntschaft nicht nur völlig unverhofft und unerwünscht am Sonntagnachmittag während intellektueller Entspannungsübungen vor dem Glotzkasten heim, sondern ebenso in einem Shinto-Schrein im an und für sich überbevölkerten Tokio. Und auch wenn er sich deshalb sogar regelrecht „aus Scheißabach“ wähnt, so hat Mantels Schwabe auf der anderen Seite doch auch die Coolness und den Mumm, den Fuß selbst dann auf dem Gaspedal zu lassen, wenn ihn in stiller Nacht auf der Autobahn bei Tempo 210 aus heiterem Himmel ein Blitzlicht blendet.
Wie Mantel selbst kleine Grausamkeiten geschliffen formuliert und hübsch verpackt serviert, ist großes Kleinkunsttheater. Und wie er sich an seine Pointen anschleicht auch. Wobei die sich – der Mann singt in aller Regel Lieder, also gibt’s Refrains und die Pointe kommt wieder – dann aber auch nicht abnutzen, sondern zumeist immer heller glänzen, was man ebenfalls erst einmal so hinbringen muss.
Und als er seinen kleinen Verstärker plötzlich auf Zerrsound stellt und als Gitarren-Rocker Party macht, „bis es d’s Dach lupft“, da ist Ernst Mantel ganz allein auch noch eine Band und insofern, wenn man will, nicht mehr bloß Kabarettist, sondern gar Illusionskünstler. Der Mann versteht sein Geschäft, alles was recht ist.
Als Zugabe pirscht er sich zu „Kool & the Gang“ und deren Hit-Refrain „She ’s fresh“ an, und zwar als minderjährigen Waffenbesitzer, der von seinen Eltern mit einem Luftgewehr und dem Rat „Schieß Fresch“ an den Teich geschickt worden ist. Über so viel Jägerlatein muss er schließlich sogar selber lachen. Und so bleibt am Ende in der Arche in der Tat kein Auge trocken.