Organisierte Suche nach dem größten Deppen


Bericht von Marita Kasischke/Heidenheimer Zeitung vom 08.10.2014 10:00 Uhr


Claus von Wagner bot politisches Kabarett vom Feinsten


Anspruchsvolle Themen behandelt Claus von Wagner in seinem Programm „Theorie der feinen Menschen
Anspruchsvolle Themen behandelt Claus von Wagner in seinem Programm „Theorie der feinen Menschen“ Und der Kabarettist wusste bei seinem Auftritt in der ARCHE das Publikum zu begeistern.


Finanzmärkte, Rating-Agenturen, Wirtschaftswissenschaften, Astrophysik: Drei Stunden lang ging es um diese Themen in der ARCHE Dischingen. Und wer jetzt glaubt, dass da nach einer halben Stunde der Saal leer gewesen sein müsste, der irrt gründlich.

Denn es war Kabarettist Claus von Wagner, der in seinem Programm „Theorie der feinen Menschen“ diese sperrigen Themenkomplexe einer näheren Betrachtung zuführte – und das beileibe nicht mit billigen Witzchen, sondern Tiefgang, Geist und brillanten Formulierungen.

Und das Publikum schüttelte sich vor Lachen, obwohl es von Wagner ihm wahrlich nicht leicht machte, immer dranzubleiben an diesem Programm, das sicherlich zu dem besten gehört, was politisches Kabarett, ohnehin rar gesät in der derzeitigen von Comedy überwucherten Spaßlandschaft, derzeit zu bieten hat.

Das Programm, eine Fülle von Betrachtungen moderner Mysterien wie dem Wunsch nach immer mehr Wachstum, als könne man Schweinshaxe auf Schweinshaxe essen, enthält in seinen drei Stunden Dauer Nachdenkenswertes für drei Wochen – und dabei klingt es doch so lustig.

Das Zahlenfoltern, beispielweise, das Investmentbanker anstellen, um damit auf die organisierte Suche nach dem größten Deppen mit der größten Gier zu gehen. Sagt der Herr von Wagner. Und das Publikum lacht herzhaft und begeistert.

Er bezeichnet Derivatgeschäfte als eine Art Pferdewetten, in denen weder Rennen, Rennbahn noch Pferd bekannt sind. Und das Publikum lacht höchst amüsiert.

Er vergleicht die viel zitierten Finanzmärkte mit einer Art Riesenmonster, auf dem Rücken liegend, immer mehr fordernd, was ihm auch alle geben, weil man es ja beruhigen will. Und das Publikum lacht.

Er nennt Merkels Satz, die Spareinlagen seien sicher, eine
glatte Lüge, der nur die Sparer durch ihr Stillhalten zur Wahrheit verholten haben. Und das Publikum lacht mitreißend.

Er fragt sich, was das Zaudern um das Abhören der NSA solle, wenn doch Snowden schon seine Freiheit aufgegeben habe, um unsere zu retten: Respekt vor USA? Oder Angst, was die NSA gehört haben könnte? Und das Publikum lacht schallend.

Er referiert über Landesbanker, die bislang Kredite an Schraubenhersteller vergeben haben
und die undurchschaubarsten Geldgeschäfte zu tätigen ohne Rücksicht auf Verluste, geblendet von rein rechnerischen Geldsteigerungs-Chancen, dargestellt durch eine Fülle von Kommazahlen, die ja gerne als Beleg für Kompetenz genommen werden. Und das Publikum lacht in einer Tour.

Freilich: So wie Claus von Wagner brillant beobachtet, geschliffen formuliert und auch noch herrlich spielt, das lädt sehr zum Lachen ein. Und doch wird da
zwischen der von ihm aufgedeckten Kryptologie der Finanzwelt mit sogenannten Experten und Wissenschaftlern einerseits und der großen Demut vor ihr andererseits eine Diskrepanz sichtbar, die verstörend wirkt und das Lachen im Halse versickern lässt.

Spätestens bei der Erkenntnis der Hauptfigur in Claus von Wagners buntem Reigen aus feinen Menschen, dem kleinen Claus Neumann, der doch so gerne die Machenschaften der Spekulanten aufdecken möchte,
der Erkenntnis nämlich, dass zwischen ihnen und ihm nur ein Unterschied besteht: die Höhe des Gehalts – spätestens dann ist klar, auf wessen Kosten das Lachen ging.

Und dann bleibt vor allem ein Satz aus den vielen bedenkenswerten Sätzen schwer verdaulich im Magen liegen: „Die Gans fühlt sich bekanntlich am Tag vor Weihnachten am wohlsten“. Und Weihnachten kommt ja immer schneller als man denkt.