„Durst – Warten auf Merlot“: Beifallsstürme für Philipp Weber in der ARCHE
Inge Grein-Feil hat schon Nerven: „Klatschen Sie einfach nicht“, regte sie das Publikum am Sonntagabend in der ausverkauften ARCHE an, denn dann sei man schneller fertig.
Ja, dann darf man aber auch nicht jemanden wie den Kabarettisten Philipp Weber einladen. Denn der fordert mit seinen Betrachtungen, Formulierungen, Gedankensprüngen und messerscharfen Assoziationen den Beifall im Minutentakt geradezu heraus. Und das ist eigentlich bekannt: Denn Weber ist ja beileibe nicht das erste Mal zu Gast in Dischingen.
Dieses Mal präsentierte er sein brandneues Programm mit dem schönen Titel „Durst – Warten auf Merlot“, in dem er sich titelgemäß dem widmet, was auf der Mattscheibe zu kurz kommt: Während auf allen Kanälen gekocht, gebraten, gegrillt und gebacken wird, gibt es weit und breit keine Trink-Show – also wendet sich Weber in seinem Programm nun ausgiebig dem Getränk zu. Als Odenwälder ist er dazu geradezu prädestiniert, denn das Trinken ist ein Teil der Odenwälder Kultur, bei näherer Betrachtung sogar der einzige Teil der Odenwälder Kultur. Dort unterscheiden sich Beerdigungen von Hochzeiten nur dadurch, dass ein Betrunkener weniger am Tisch sitzt. Weil der (wie Webers Onkel Rudi, Gott hab ihn selig, der im Programm immer wieder als Weinkenner mit leichtem Alkoholproblem vertreten ist) mit einem zünftigen Salutgetränk als Absacker zu Grabe gelassen wurde, womit das Wort Absacker denn auch eine völlig neue Bedeutung bekommt.
Alkohol spielt im pointengespickten Programm Webers eine ebenso große Rolle wie Onkel Rudi, aber auch andere Getränke werden gereicht, Beispielsweise der „Morgenurin eines zuckerkranken Gummibärchens“, die sogenannten Energydrinks und auch die Weltdroge Kaffee, Koffein und die hochgelobten Kaffeeautomaten, deren Benutzer vor lauter High-Tech-Anforderungen gar nicht dazu kommen, Kaffee zu machen. Es geht um das neuerdings um sich greifende Brimborium um. stinknormales Wasser, das unter hochtrabenden Namen und Herkunftsbezeichnungen zum Chäteau-Mineralwasser wird.
Aber wie sagte Onkel Rudi? „Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Wasser trinken, hätte er nicht so viel davon gesalzen.“ Was Onkel Rudi zum enorm angestiegenen Zuckerverbrauch gesagt, der die nächste Generation zur „kandierten Jugend“ werden lässt, das ist nicht bekannt. Neffe Philipp Weber jedenfalls lässt sich trefflich über die Volksdroge Nummer eins, den Zucker, aus, der auch dann nicht bekömmlicher wird, wenn die Silbe „bio“ davor steht. Wenngleich freilich zu bedenken ist, dass Leichen mit Biodiabetes dank Biozucker möglicherweise besser biologisch abbaubar sind.
Philipp Weber reicht Fruchtnektar, der in Sachen Obstgehalt von jedem Duschgel Kiwi-Mango geschlagen wird, und Zwiebelsud, dessen Heilkraft deshalb so groß ist, weil einem vor lauter Brechreiz die laufende Nase egal wird, und wohldosierten Sauerkrautsaft, der in etwa so lecker klingt wie ein Ohrenschmalzbrot.
Er philosophiert über fair gehandelte Kondome, die den Benutzer endlich einmal dazu bringen, beim Geschlechtsverkehr an den Weltmarktpreis für Rohkautschuk zu denken, und die rund 50 Millionen Liter Glühwein, die während der Adventszeit genossen werden, sodass ein Christkindimarkt zum Adventsballermann wird.
Das alles könnte auch Bestandteil eines Gesundheitsvortrages und dementsprechend trocken sein. Nicht so bei Philipp Weber: Mit einer geradezu überbordenden Energie serviert er seine sprudelnden Gedanken, spritzig formuliert, mit Leidenschaft vorgetragen, er hüpft ebenso von einem Thema ins andere wie von einem Bühnenende zum anderen, und ist von Anfang bis Ende prickelnd wie ein verlockend perlendes Kaltgetränk.
Und dem sprach das Publikum mit sichtlichem und hörbarem Genuss gerne zu, klatschte und lachte, was das Zeug hielt. Und das auch in dem Wissen, dass Weber hier beileibe nicht nur Spaß machte, sondern die Realitäten trefflich auf den Punkt brachte. Das ist Kabarett, wie es sein sollte: ein gut platzierter Finger in der Wunde und gut platzierte Pointen, die den Ernst der Lage so richtig schön zur Geltung bringen. Nur einmal, da wurde Philipp Weber tatsächlich ganz ernst und das Publikum mucksmäuschenstill: Ganz am Ende, da ging Philipp Weber vom Durst des Körpers in einen ganz anderen Durst über, den Durst der Seele.
Und wie der zu löschen sei, das empfahl er dem Publikum ohne satirischen Unterton, ganz ohne Gehopse und Geflachse. „Den Durst der Seele löscht die Liebe.“ Und allein schon der Beifall dafür zeigte, dass Inge Grein-Feils Bitte zu Anfang völlig vergebens war. Sie selbst aber durfte ebenfalls Applaus genießen, nämlich für die Mitteilung, dass Philipp Weber auch im nächsten Jahr zu Gast sein wird.