Hakuna Matata – „Sei Ruah haben“


Bericht von Marita Kasischke/Heidenheimer Zeitung vom 24.10.2019 08:00 Uhr


Simon Pearce, Bayer mit nigerianischen Wurzeln, präsentierte in der ARCHE in Dischingen komödiantisch bestens aufbereitete Alltagsszenen.


Hatte die Lacher drei Stunden auf seiner Seite: Simon Pearce in der ARCHE.
Hatte die Lacher drei Stunden auf seiner Seite: Simon Pearce in der ARCHE.

„Pea(r)ce on earth“ erlebten die Zuschauer am Sonntagabend in der „Arche“ in Dischingen. Ein vorweihnachtliches Programm? Nein. Auch wenn eine ganze Menge „Pea(r)ce“ drinsteckte, und das sogar im doppeldeutigen Sinn: Kabarettist Simon Pearce, waschechter Bayer mit nigerianischen Wurzeln, bescherte dem ausverkauften Haus Szenen aus seinem Leben.

Szenen, wie sie jeder erleben kann, wenn Trinkkumpane mit ordentlich einem sitzen nicht mehr stehen, geschweige denn gehen können, wenn Rolltreppen durch Deppen in Ignoranz des Gesetzes „links gehen, rechts stehen“ blockiert werden, wenn Deutsche auf Urlaub sind, bestens darauf vorbereitet, alles besser zu wissen und sich nicht als Deutsche zu erkennen zu geben, wenn Zugfahrer unter grölenden Fußballfans zu leiden haben, nur noch getoppt von Junggesellinnenabschieden, bei denen die Stimmen der Teilnehmer mit zunehmendem Alkoholgenuss so schrill werden, dass sie Delphine anlocken könnten.

Die Präsentation macht’s

Klingt banal? Klingt nicht nach intellektueller Herausforderung? Wenig politisch? Alles richtig. Es ist die Art der Präsentation, die aus diesen banalen Situationen wahre Schmankerl macht. Simon Pearce versteht es, mit wenigen Blicken, sorgsam dosierten Gesten sowohl Junggesellinnen als auch Fußballfans, Mütter und Kumpels, Bürgermeister und Urologen so messerscharf zu karikieren, dass aus den scheinbar banalen Alltagssituationen wirklich jedes Pointenpotenzial ausgeschöpft wird. Das macht der ausgebildete Schauspieler brillant.

Das galt auch für diejenigen Situationen, die an sich gar nicht komisch sind, diejenigen, die wohl nur jemand mit schwarzer Hautfarbe erleben kann. Tipps wie „So viel Weißbier kannst Du gar nicht trinken“, „Kosenamen wie Drecksnigger“ (Originalton Pearce), Polizeikontrollen wegen nichts weiter als auf dem Bahnsteig stehen – von all dem berichtete Pearce, und er hatte auch dabei die Lacher auf seiner Seite. Doch seine glänzende Schauspielkunst, sein pfiffiger Vortrag, sein charmanter bayerischer Dialekt konnten nicht gänzlich über den an sich traurigen Kern dieser Ereignisse hinwegtäuschen. Simon Pearce selbst sah es ganz entspannt und machte sich weiter darüber lustig.

Ungemein entspannend

Apropos Entspannung: Da wäre dann die zweite Bedeutung von „Pea(r)ce“: Friede. Der, so, prangerte Pearce an, werde dringend gebraucht, nicht nur angesichts der Weltenlage, sondern auch im Kleinen. Denn heutzutage sei alles und jeder völlig unentspannt, nichtige Anlässe führen zur großen Aufregung, als freuten sich die Menschen über Unbill und Missgeschicke, damit sie sich wieder einmal so richtig aufregen können. Da kommt es gar nicht so sehr auf Inhalt und Thema an, Hauptsache, man kann mal wieder die volle Wut und alle noch so vulgären Schimpfworte gebrauchen. Der nimmermüde Erzkomödiant empfiehlt: Hakuna Matata, gerne auch in der bayerischen Version von „Sei Ruah haben“. Die hatten die Zuschauer an diesem Abend mit dem quirligen Kabarettisten zwar nicht. Das rund dreistündige Dauerlachen aber hatte ebenfalls eine ungemein entspannende Wirkung.