Aus Überacker kam die 28jährige, 184,5 cm große, unstudierte Kabarettistin Martina Schwarzmann in die ARCHE
Rockerin wollte sie mal werden, die Bauerntochter aus Überacker („Overfield“) gleich bei „Mingen“. Erregend die Vorstellung, dass „bei meinen Liedern im Publikum Kinder `zeugt wern“. Doch weil Martina Schwarzmann beim Kabarett landete, rast sie jetzt, statt auf dem „Highway to Hell“, halt mit’m „Heuwagn zu schnell“. Drei (!) Stunden lang begeisterte die unüberhörbare Bayerin in der Arche.
Genau beobachten kann sie ihre Umgebung, insbesondere ihre ländliche Heimat Überacker („liegt zwischen Fürstenfeldbruck, Olympia-Attentat und KZ Dachau“). Und die 184,5 cm große 28 einhalbjährige „bekennende Heimschläferin“ bringt das dann auch, zwar oft in sehr bodenständigem Bayerisch, treffend auf den Punkt.
Da berichtet sie vom 104 jährigen, der 1910 am (fleischlosen) Karfreitag ein Streichwurstbrot gegessen hat – und bis heute wegen dieser Sünde nicht sterben will. Schließlich muss er, punktgenau zum Karfreitag, bei Petrus vorsprechen – der ihm bedeutet, dass es hinten noch ein paar Weißwürstl gibt.
Ob sie „Voodoo-GstanzI“ vorträgt oder, in zwei Liedern, Ü-30-Parties aufspießt („noch kann ichs ja“), ob sie von einer verschluckten Fliege beim ländlichen Zungenkuss oder Stammtisch-Reaktionen auf ihr unverheiratetes Dasein berichtet („darauf hab‘ ich beim Arzt laut einen Aids-Test verlangt“) oder vom „Pfurz“ beim Liebesakt: Die taffe Bayerin, modisch gezopft, scheut die offene Ausdrucksweise nicht. Obgleich angeblich „antiautoritär erzogen“ auf dem Bauernhof mit vier Geschwistern, umschreibt sie auch drastische Ausdrücke eher selten. Und wenn, wirkt das noch viel unmittelbarer.
Dabei wirkt sie eigentlich eher spröde, wenn sie da, in Jeans und Bluse, ziemlich schmucklos und eher statisch auf der Bühne steht. Verräterisch ist das feine, manchmal ein bisschen maliziöse Lächeln, das oft über ihr Gesicht huscht. Sie ist eine, im besten bayerischen Sinne, diffizil Hinterfotzige, die laute Gags gar nicht nötig hat. Unprätentiös steht sie mit ihrer Gitarre auf der „kleinen Kleinkunstbühne“ in Dischingen (Inge Grein-Feil) und erweist sich als „große Künstlerin“ (eben dieselbe). Na ja, aber gut ist sie schon.
„Vorher nachdengen“ empfiehlt sie mehrfach. Und berichtet von der Schwärzung über dem Hintern einer zu wickelnden Seniorin, die mal „ein Arschgeweih“ gewesen sein mag: „Des brauch i ned!“
Sie reibt sich an dumm fragenden Reportern und feministischem Feingefühl („geht mir manchmal ab“), an Ü-30-Singles („für Frauen, die’s nötig haben, gibt’s leider keinen Nutter – und keinen Puffpapa“), an 3,99-Sonderangeboten oder, wobei das eigentlich zu weit geht, an Wurstfachverkäuferinnen im Rüschchenschürzi: „Darf’s a bißl mehra sei?“ – die Frage beim Wurstverkauf und auch nach dem Geschlechtsakt ist auch der Titel von Schwarzmanns zweitem Programm.
Auch für sie darf’s a bißl mehra sein; und als eine von mehreren Zugaben reflektiert sie die „Memoiren einer Gummipuppe“: Es gibt wenig Bereiche des scheinbar banalen, einfachen, noch bodenhaftenden Lebens, in die die unstudierte Bauerntochter („noch nicht ‚mal abgebrochen“) nicht hineinleuchtet.
Und so scheinbar schlicht das alles in breitem Überackerisch daher kommt: Die mehrfach preisgekrönte Kabarettistin wägt ihre Worte schon sehr genau. „Eine Bindung ist keine Lösung“, ist so ein ausgefuxter Satz, dessen Hintersinn sich nicht immer sofort erschließt.
Lernen kann man manches bei Martina Schwarzmann, nicht zuletzt bajuwarische Finesse:
Etwa wenn sie vom „Noigerl“ berichtet, dem letzten Rest im Glas („wenn’s zur Neige geht“) – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn (Ü 30!).
Oder: Männer mit großen Köpfen sollten sich Frauen mit breitem Becken suchen – des künftigen Geburtsverlaufes wegen. Hoffentlich war Inge Grein-Feils Versuch erfolgreich, sie zum Wiederkommen zu überreden:
Die Weißfrau schickt sich an, erfolgreich zu werden. Wittislingen kennt sie bereits, dank der dortigen Fußballjugend, die öfters in Überacker gastiert. Sie sollte dasselbe in Dischingen tun.