Kabarett für Herz, Hirn und Zwerchfell: Christian Springer beeindruckte in der ARCHE
Der Sonntagabend in der ARCHE bewies einmal mehr, dass das Zwerchfell nicht das einzige sein muss, das durch Kabarett angeregt werden kann: Christian Springer zielte mit seinem Programm „Oben ohne“ darüber hinaus auf Herz und Hirn und wagte es zuweilen gar, dabei das Zwerchfell völlig unberücksichtigt zu lassen. Das betroffene Schweigen seiner Zuhörer im ausverkauften Haus daraufhin mag vielleicht mehr Lohn sein als jede Lachsalve, zumal der lange Applaus danach nicht ausblieb.
Freilich kann der Münchener Kabarettist auch einfach nur herumblödeln: Wenn er beispielsweise darüber reflektierte, dass vor Erfindung der Laubbläserei noch die mühevollen Laubsägearbeiten standen, da erkalauert er sich in schönster Karl-Valentin-Manier lässig die Lacher genauso wie beim Erfolgsrezept der Amazonenkriegsrührung: „Brust raus -und dann sind die Männer eh schon fertig“.
Christian Springer ist aber doch, auch wenn er sein früheres Alter Ego Fonsi hinter sich gelassen hat, der alte Wutbürger geblieben, der sich herrlich in Rage reden kann, in Rage über Blödensprache und Wortschwalle, die doch nichts zu bedeuten haben, außer dass sie den Zuhörer einlullen sollen.
Springer selbst redet keineswegs drumherum, sondern ganz direkt und geradeaus, dass er, würde er in Seehofers Haut in puncto Energiewende stecken, nicht mehr schlafen könnte. Dass der Einmarsch der Bundeswehr in Mali, . oder wie er offiziell genannt wird „die Ertüchtigungsinitiative“, möglicherweise mit den „seltenen Erden“ erklärt werden muss, die in Mali zu finden und die wiederum für die Fertigung digitaler Produkte notwendig sind, in welcher beispielsweise ein Bruder Ursula von der Leyens tätig ist.
Und was wäre nun schlimmer, fragte Christian Springer sein Publikum, dass das möglicherweise der Grund für die Ertüchtigungs-initiative sei – oder dass das überhaupt niemanden mehr verwundern würde. Und das war dann so eine Keule, die Springer so flott mal zwischen Blödelei und Albernheit auspackte und zornig in die Runde warf, dass das Lachen gar nicht mehr aus vollem Halse kommen wollte.
Zu wenig Rückgrat, zu wenig Haltung, schimpfte Springer, bei Rückgrat denke jeder nur noch an Schuhbeck-Rezepte; und Haltung beschränke sich auf Freilandhaltung bei Hühnern – auf die dann freilich allergrößter Wert gelegt werde.
Die dickste Keule hatte sich Christian Springer aber für den Schluss aufbewahrt. In den schillerndsten Farben schildert er ein Szenario, in dem die deutschen Goldreserven aus den USA heimkehren, mit allem Brimborium, Fernseh-Live-Übertragung, VIP-Plätze, Kinderchöre, Musikkorps der Bundeswehr, Gauckel (Springers Kosename für das Team Merkel und Gauck), Löw und alle Ministerpräsidenten sind da, wenn das Gold auf deutschem Boden zu einem Turm gebaut wird, gegen den Babel ein Kinderspiel ist.
Und dazu stimmen alle deutschen Bischöfe den schönen Choral an „Großes Gold, wir loben Dich“. Und es hätte Springers rhetorischer Frage, „hat das nicht einmal anders geheißen?“, gar nicht mehr bedurft: Das Publikum schwieg still und applaudierte betroffen.
So wollte Springer sein Publikum denn doch nicht ziehen lassen; und er gab noch Wissenswertes über den „Anti-Gauweiler-Song“, nämlich „Skandal im Sperrbezirk“ zum Besten. Um dann aber auch gleich nochmals betroffen zu machen, und das nun ganz offiziell jenseits des Kabaretts, im Dienste der von ihm gegründeten Hilfsorganisation für syrische Flüchtlinge „Orienthelfer“. Und sein persönlicher Erfahrungsbericht war nun zwar gänzlich zwerchfell-ungeeignet, ging vielmehr direkt an Herz und Nieren und dürfte auch die Geldbeutel erreicht haben.
Denn das Spendenkörbchen füllte sich rasch. Auf den an solchen Abenden sonst üblichen Buch- und DVD-Verkauf hatte Springer bewusst verzichtet.