Philipp Weber servierte delikate Details
Welcher Besuch kommt freiwillig zum Essen, wenn vorher schon feststeht, dass einem selbiges am Ende madig gemacht wird? Eine ganze Menge Leute sind offensichtlich dazu bereit. Die ARCHE war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Philipp Weber die Bühne betrat – der Kabarettist, dessen Programmvorschau vollmundig Folgendes verkündet: Er werde enthüllen, dass „Teile Ihres Meeresfrüchtesalats aus Schweineknorpel bestehen, der in Salzsäure gekocht wurde“.
Philipp Weber ist studierter Biologe und Chemiker, er kennt sich aus in Sachen Inhaltsstoffe und Geschmacksverstärker. Er weiß, was in Schnitzel und Carpaccio hineingehört. Er kennt auch das, was darin nichts verloren hat. Und er sieht es als seine Mission, dieses Wissen zwerchfellgerecht zubereitet unters Volk zu bringen.
Denn die Mägen sind gereizt und die Hirne aufnahmebereit für das Thema Essen – besonders in Zeiten, in denen Lebensmittel-Skandale, TV-Kochshows und Ernährungsratgeber einander die Klinke in die Hand geben. In denen nicht nur Jamie Oliver, sondern inzwischen auch der Bundestag Kochbücher schreibt. Vorbei sind nämlich die Zeiten, als der Bürger von seinen Staatslenkern mit Titeln wie „Wohlstand für alle“ oder „Menschen und Mächte“ gefüttert wurde. Heute veröffentlicht das Parlament Rezepte aus Politikerküchen. „Merkel kocht Kohl“ – man, höre, staune und lache.
Wie bei einem Degustationsmenü ließ Weber in schneller Folge Häppchen auf Häppchen, Pointe auf Pointe folgen. Selten hat sich ein Kabarettist so köstlich in Rage geredet und so unterhaltsam aufgeregt: Über Tütensuppen etwa, aus deren Bestandteilen man nicht schließen kann, dass am Ende ein Ratsherrentopf auf dem Tisch stehen soll. Oder wer hätte gedacht, dass seine Flädlesuppe mit „Sellerie (explosionsgetrocknet)“ zubereitet ist?
Mit Witz und Lust stocherte Philipp Weber im Fertigfraß herum. Fand aber auch auf der anderen Seite des Tisches so manches urkomische Haar in der Suppe:
Bei den Slow-Food-Jüngern nämlich, den bewusst kochenden und speisenden Genussmenschen. Deren ursprünglich rein hedonistisch geprägte Kochabende sieht er nämlich längst von kleinkarierten Biodynamikern und allergiegeplagten Erbsenzählern unterwandert. Ein Kampf der Kulturen, der ihm Anlass zu wahren Drei-Sterne-Zwerchfellattacken bot.
Nicht nur Laktose-Intolerante, Nachschattengewächs-Allergiker und Chinarestaurant-Syndrom-Geplagte bekamen schließlich ihr Fett weg: Beinahe schneller, als man verdauen kann, traf Webers Spott-Stakkato auch alle, die beim Essen zu viel glauben: an den Body-Mass-Index etwa, an Ernährungsratschläge, die sich auf 100 Jahre alte Forschungsstudien berufen, an rechtsdrehende Bakterienkulturen und an Himalayasalz, das eigentlich aus dem himalayafreien Pakistan kommt. „Ich möchte nicht, dass ihr aus diesem Programm rausgeht und noch einmal so eine Scheiße kauft“, schleuderte er schließlich ins johlende Publikum. Gesagt, getan: Der Autor hat nach der Veranstaltung, geläutert von allen Ernährungsmythen, ein einschlägig bekanntes Fast-Food-Etablissement aufgesucht. Und zwar ganz ohne schlechtes Gewissen. So viel Selbstbestimmung muss sein.