Berlin bleibt eine Insel


Bericht von Hans-Peter Leitenberger, Heidenheimer Zeitung vom 18.11.2008 00:00 Uhr


Klaus Peter Schreiners Solo in der ARCHE


Ordnete in Dischingen Deutschland geographisch neu: Kabarettist Klaus Peter Schreiner.
Ordnete in Dischingen Deutschland geographisch neu: Kabarettist Klaus Peter Schreiner.

Als „Urgestein des deutschen Kabaretts“ stellte Inge Grein-Feil am Samstag in der ARCHE Klaus Peter Schreiner vor. Ein Fossil jedoch ist der     78-jährige Grandseigneur dieser Kunst, die heute in der allgemeinen Seichtigkeit der „Comedys“ unterzugehen droht, gewiss nicht. Seinen Biss bewies Klaus Peter Schreiner gleich zu Beginn des Abends, indem er tief unter die Kruste der Selbstgefälligkeit bundes­republika­ni­scher Befindlichkeiten vorstieß. Politisches wollte er nicht unbedingt bieten, denn: „Der Schwachsinn, der heute als Politik verkauft wird, geht mir am Gesäß vorbei!“

Er ist sich treu geblieben, der ergraute Mahner, der dennoch seine grauen Zellen auf Hochtouren zu halten vermochte. Eine Fülle von Gedanken, ein Feuerwerk an Wortwitz bot Schreiner, der mit erstaunlicher körperlicher Fitness ein ebenso nachdenkliches wie zum Lachen anregendes Programm über zwei Stunden hinlegte. Manche dieser Comedy-Fuzzis sehen dagegen richtig alt aus.
Schreiner nur optisch, doch seine blitzenden Augen und die stetige, unaufdringliche Bühnenpräsenz lassen das Alter dieses Könners nur vage erahnen. Den Sprachliebhaber ärgert unter anderem die geistige Verarmung, so bei „Du bist Deutschland. Wir sind Papst. Ich bin doch nicht blöd!“ Glänzend inszenierte er seine fiktiven „Dialoge“. Köstlich etwa das Gespräch mit einem Außerirdischen, bei dem es keine Industrie gibt, weil sie die Manager mit Lohnnebenkosten vergrault hätten. Politiker gebe es auch keine, die seien den Managern nachgelaufen – und TV gebe es nur einmal im Jahr.
Anhand eines Rubik-Würfels ließ sich ganz einfach der politisch-wirtschaftliche Komplex erklären. Oder die sieben Geißlein, die „einfach keinen Bock hatten“. Ganz einfach wäre die politische Lage, wenn es eine „geografisch-physikalische Wende“ gegeben hätte. Dazu drehte Schreiner eine Deutschland-Karte um 90 Grad, und dann wären die Alpen „als Ostgrenze unüberwindbar“. Berlin wäre weiterhin eine „Insel“, aber mitten in der Ostsee.
Fast verdienstvoll war Schreiners gnadenlose Abrechnung mit dem unsäglichen Abkürzungswahn, dem er auch drei Buchstaben, nämlich „LMA“ entgegenschleuderte. „Was nutzt künstliche Intelligenz, so lange wir keine natürliche haben?“ Bravo, junggebliebener Kämpfer, ein vergnüglicher Abend, der die Gehirnzellen schön auf Trab hielt.