Wiener Schmäh und Untergang: Severin Groebner brachte tiefschwarzen Humor in die ARCHE.
„Gut möglich“ heißt das Programm, das der österreichische Kabarettist Severin Groebner am Sonntag in der Arche zeigte. Und es ist gut möglich, dass dem einen oder anderen der rund 110 Besucher noch immer das Lachen im Halse steckt bei den Zukunftsszenarien, die Groebner so ausmalte.
Was denn, wenn die nächste Generation mal unsere Miles- and-More-Bonushefte findet? „Wenn wir dermaleinst so, wie wir unsere Großväter gefragt haben, was sie denn gegen die Nazis getan haben, beantworten müssen, was wir denn getan haben, um die Klimakatastrophe zu verhindern, dann können wir die Wahrheit sagen: ‚Payback-Punkte gesammelt‘.“
Nein, Groebner beschönigte nichts bei seinem Blick in die Zukunft, keine rosarote Brille, kein Weichzeichner. Im Gegenteil: Frankfurt wird zum Hochseehafen, der Bodensee nur noch Boden, statt Berlin gibt es eine schicke Unterwasser-Nazi-Stasi-History-Erlebniswelt unter der Leitung von Guido Knopp, und an der Küste von Sachsen-Anhalt entsteht ein Wellness-Bauhaus. Und der Brexit ist aufgrund der Klimaveränderung auch gelöst: Land unter. Er prophezeit, dass das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Frauen wird: „Die haben ja schon bei WG-Partys am besten aufgeräumt.“ Und es ist erst einmal aus mit Konzertbesuchen, die ja doch nichts anderes sind als Selfies mit Musikbeschallung. „Und dabei haben wir doch alles gegeben: Egoismus und Sperma.“ Und damit einfach kopfüber ins Verderben.
Poesiealben statt Rockstars
Der mehrfach ausgezeichnete Groebner bietet eine Menge. Er spielt, gestikuliert wild, tanzt und singt, macht den Falco, pardon: Alco, mit Liedern wie „In meinem Schlund gibt’s keine Sperrstund‘“, beschwört den Durchhaltewillen einer Zarah Leander herauf, sinniert über ausgependelten Tofu- Schweinsbraten, schlüpft in die Rolle des Gernot Adelholzer, der Holz mit Geist versieht, bis Eichenlaminat den Schwindel auffliegen lässt, schickt Algorithmen auf Humorsuche, wünscht sich Revolution nicht nur bei Geschirrspülertabs, prangert die Jugend von heute an, die statt Rockstars singende Poesiealben als Idole hat, und schildert die energieaufwendige Entstehung eines Plastikbechers, der gerade fünf Minuten in den Händen gehalten wird, bevor er Müll wird und schließlich im Meer landet.
Und das alles macht Severin Groebner so charmant, so lässig, so ganz Wiener Schmäh, dass man fast den bitteren Ernst dahinter übersehen könnte. Wie er da durch Themen, Stimmen, Rollen, Lieder und Problemzonen streift, das ist – abgesehen von ein paar leicht zu konsumierenden Albernheiten – nicht nur klug und spitzfindig, sondern auch durch und durch schwarzer Humor, der neben erheitern auch jede Menge schlechtes Gewissen einjagen kann. Nach diesem Abend kann doch gar kein SUV mehr gefahren, nicht mehr geflogen und keine Kreuzfahrt mehr angetreten werden. Dass es trotzdem passiert, das ist – um es mit Groebners Programmtitel zu sagen – gut möglich.