Gala mit Landes-Kleinkunstpreisträgern im Naturtheater: Fette Sounds, Akrobatik und schwäbischer Feinsinn
Kältebedingt musste Ernst Mantel während seines dreiviertelstündigen Konzerts die Saiten nachspannen: Bei unter 13 Grad hatte es auch das Publikum im Naturtheater nicht leicht, einigermaßen warm zu bleiben. Was aber nichts daran änderte, dass es mit allen drei Programmpunkten der Benefiz-Gala jeweils rasch warm geworden war.
Drei sehr unterschiedliche Auftritte waren bei immerhin zuverlässig trockenem Wetter im Naturtheater zu erleben; die Akteure waren alle (mindestens einfache) Landes-Kleinkunstpreisträger
auf eine gehobene Grundqualität konnten sich die über 550 Besucher also verlassen.
Der Auftakt war für die meisten Besucher wohl eine „Entdeckung“ – nicht allein des 23 jährigen Künstlers wegen, der als gerade 21jähriger bereits den begehrten Preis erhielt. Zu entdecken gab es vielmehr ein ganzes Genre: „Beat-boxing“ nennt sich, was Robert Wolf alias „Robeat“ betreibt. Der eher kleingewachsene Stuttgarter nutzte den langen Aufgang zum Auftritt im Naturtheater von der rechten Seite. Unterm Arm eine Sprudelflasche, mit Hut und tiefhängender Hose, stand er dann auf der eigens errichteten Künstlerbühne vor den „Wirtshaus“-Kulissen des Naturtheaters.
Zunächst im Auftreten und gestisch eher schüchtern wirkend, war einer seiner ersten Sätze: „Alles, was Sie jetzt hören, kommt aus meinem Mund“.
Der Solo-Vokalist setzt aber wohl nicht nur seine Stimme ein, um seine eigene Band, ja ein ganzes Orchester und zudem eine ganze Welt von Geräuschen und Effekten zu generieren. Außer den Stimmbändern gibt es da ja noch lautevozierend Zunge, Lippen und wer weiß was sonst noch alles. Und auch der könnerhafte Umgang mit dem Mikrofon ist wichtig zum Erzeugen oder Verfremden von Geräuschen, was auch auf mehreren Ebenen synchron erfolgen kann. Locker unterlegt Robeat Melodien (auch klassischer Konvenienz) mit Beats und Rhythmen.
Sein – „Instrumentarium“ ist denkbar vielfältig: Robeat liebt die „fetten Sounds“; und mit diversen Schlagzeugen akustischer wie elektronischer Scheinprovenienz lässt sich da trefflich punkten. Ob „E-Gitarre“ oder „Didgeridoo“ -er kann Klangmuster mit Nachdruck abrufen und wunderbar mit ihnen spielen. Geräusche imitieren (und effektvoll einmischen) kann er sowieso; ob das ein startendes Auto ist, eine umhersummende Fliege oder ein abdüsender Flieger – es ist jeweils trefflich vergegenwärtigt. Damit kann er auch nette kleine Geschichten erzählen.
Aber auch wenn Robeat, etwa in seinen Hiphop-Adaptionen, durchaus schon mal mit eher großer Gestik daherkommen kann – er pflegt auch die leiseren Töne. Und, für einen 23jährigen schon bemerkenswert: Er will auch didaktisch wirken, sein „Beatboxing“ einem dafür doch eher ungewöhnlichen Publikum nahebringen.
„Wann holt der Typ eigentlich Luft?“, fragt er einmal sein Publikum. Um das dann gleich zu erklären und vorzuführen. Und so konvergieren seine „schönen fetten Klänge“ anregend mit dem gelegentlich ausgestreckten Zeigefinger, um eine spezielle Kunstform der Jugendkultur einem mehrheitlich sichtlich unjugendlichen Publikum nahezubringen. Was begeisternd gelang – die Zuhörer machten sogar bereitwillig geräuscheproduzierend mit.
Die kurze Umbaupause nutzte der alle Auftritte anmoderierende Hans Weller, der die Gala überhaupt erst ermöglichende Bezirksdirektor von Toto-Lotto, um die weiteren Beteiligten der Veranstaltung kurz vorzustellen: Oliver Conradi steht für die Heidenheimer Volksbank, die die Benefizshow mitfinanziert.
Und für die Nutznießer des Abends erläuterten Inge Grein-Feil („Freunde schaffen Freude“) und Helga Banz (Naturtheater), wofür die Erlöse eingesetzt werden sollen. Banz war es auch, die die Einmaligkeit des Abends hervorhob: „Eine solche Veranstaltung gibt’s im weiten Umkreis nicht“.
Nach dem Set des „Mundakrobaten“ Robeat kam der Auftritt des eher traditionell akrobatischen „Duett Komplett“, Landes-Kleinkunstpreisträger von 2002 und bestehend aus Thomas Schaeffert und Simon Flamm. Die Freiburger nutzten, was sie einst auf französischen Zirkusschulen gelernt haben, für ihren Auftritt, der freilich relativ unspontan und in eher statische Blöcke gegliedert war. Auch sie, die durchaus abendfüllend arbeiten können, zeigten in ihrem dreiviertelstündigen Auftritt enormes Können, gesteigert noch durch den Charme der (meist nur scheinbaren) Unperfektion.
Sie sind gelernte Akrobaten, Jongleure, Equilibristen, das stellt den Grundstock ihres Auftritts. Mehr noch gefielen sie freilich in ihrem Teilset als spanische Dorfmusikanten, bei dem „ole“ und „oje“ sich mitreißend mischten. Die dabei demonstrierte Lockerheit war bei den folgenden artistischen Vorführungen schon wieder reduziert. Herrlich freilich war ihre Einlage „6 ukuleles – 4 hands -2 idiots“, bei der sie mit sechs Instrumenten jonglierten – und dabei sogar noch, auffangend zupfend, Albeniz‘ „Asturias“ spielen konnten.
Abschließender Höhepunkt war der Auftritt des Könners Ernst Mantel, der den Landes-Kleinkunstpreis bereits zweimal verliehen bekam. Der „Lokalmatador“ (geboren in Gmünd) bestätigte Hans Wellers Definition von „Kleinkunst“: Was er bot, war, bei aller Routine, „große Kunst auf kleiner Bühne“. Mantel agiert, auf mehreren Instrumenten, hochmusikalisch, ist dazu ebenso sprachbewusst wie sprechbegabt. Mehrfach schon ist er im Kreis aufgetreten (auch in der ARCHE). Ob als weltläufiger Schwabe im Gourmettempel, als Patchwork-Vater, der „das Deutsch mehr Supporten“ will, als oberkorrekter Liedermacher („Dies ist ein ökologisches Lied mit fairen Ideen“), als pädagogisch heillos überforderter Opa des kleinen „Anthony Stollenmaier“ oder als schwäbisches Brauchtum bewahrender Wendelin Sütterlin („Ode an die Schwarzwurst“) – sein Auftritt riss das Publikum auch in später, spürbar kalter Stunde hin.
„Es macht immer Spaß, den Seggl zu spielen“, meinte Mantel. Was freilich, bei aller Eingängigkeit, sehr kunstvoll ausgearbeitet war.
Die vierte Lotto-Benefizgala im Naturtheater war eine einmalige Kombination, die bestens ankam. Man will nur hoffen, dass Lotto -Bezirksdirektor Weller auch realisiert, was er einleitend verkündet hatte: „Wir können’s nimmer lassen“.