Björn Pfeffermanns „Björn out“: Erfrischend altmodisches und nachdenkliches Kabarett in der ARCHE
Er plädiert nicht nur für Oldschool-Pinkeln der Männer; er macht, zumindest streckenweise, auch ganz herrlich altmodisches Weltverbesserungskabarett. Da erregt sich einer über den desaströsen Zustand der Welt und Umwelt, er bringt viele Fakten und ganz unhumoristische Einschätzungen – und spart nicht mit auffordernden Fingerzeigen: „Wir müssen unser Leben komplett ändern“, heißt es da etwa. Oder:
„Warum schaffen wir es nicht, uns zu beschränken?“ Und niemand, auch im eher konservativen Dischingen nicht, wird widersprechen, wenn festgestellt wird: „Wir biegen uns die Wahrheit zurecht“.
Das klingt ziemlich uncool und oldfashioned sozialpädagogisch – aber das ist (freilich essentieller) Bestandteil eines Abends, der es, im Wort-Doppelsinn, in sich hatte.
Björn Pfeffermann war mit seinem Ein-Mann-Kabarett „Björn out“ in der Arche; und der Titel seines Programms ist schon mal ein erster Fingerzeig auf eine seiner großen Stärken: Pfeffermann ist ein sehr sprachbewusster Mann. Seine Texte und Pointen meiden die comedianhafte Vordergründigkeit. Was er sagt, ist bedächtig ausformuliert.
Überhaupt: Pfeffermann macht ein ziemlich episches Programm, das nachdenklich ist und Nachdenklichkeit erwecken möchte. Das ist manchmal fast dozierend;
und so erfüllt er ganz nebenbei einen ganz alten Grundsatz bühnenbezogener Ästhetik: Was da geschieht und gesagt wird, soll gleichzeitig lehrreich sein und unterhaltsam.
Und unterhaltsam ist Pfeffermann in ganz erheblicher Weise. Seine Pointen sitzen; und Lacher erzielt er nicht zuletzt, wenn er in Figuren schlüpft und Typen bis zur lächerlichen Ernsthaftigkeit ausreizt.
Von fantastischer Absurdität etwa ist er, wenn er in die Rolle eines Riesenbärenklau schlüpft, eine unangenehme Pflanze mit ja ganz botanisch-realem „Migrationshintergrund“, ganz integrationsunwillig und aggressiv. Rollenprosa einer Pflanze – so was hat man noch nicht erlebt.
Oder er ist die Jagdpächtersgattin Gunilla, die sich über die „370 ökologischen Vollblüter“ unter der Haube ihres Cayenne freut. Oder der „Buchen-Bertolt“, der seit sieben Jahren einen Baum besetzt und gegen die Naturzerstörung protestiert, nicht zuletzt durch seinen Körpergeruch.
Pfeffermann zeigt da in fiktiven Typen, was ihm auch bei realen Vorbildern sehr gut gelingt: Er kann sprachlich herrlich imitieren und parodieren, hat auch die Merkel und Roth oder den Seehofer drauf (nach Helikopter-Absturz im Wald). Das ist ein erfrischendes Talent, das er noch öfter nutzen dürfte. Übrigens kann er auch Geräusche hervorragend imitieren – bis hin zum Baustellenlärm.
Pfeffermann treibt ganz offensichtlich ein ernsthaftes Leiden am Status unserer Gesellschaft und Natur um. Und so ist der wirkungsmächtige Rahmen seines Programms auch eine Situation, die er für kurios-bedenkenswerte Zuspitzungen nutzt: Er ist ein gestresster, freiberuflicher Journalist, der in der Redaktionskonferenz übermüdet zusammenbricht („Björn out“!) – und daraufhin von seinem „fürsorglichen“ Chef zur Dreimonats-Reportage in den deutschen Tann geschickt wird. Hält ein Großstädter ein Waldsurvival überhaupt aus?
Und so begrüßt er das diesmal nicht ganz so zahlreiche Publikum in Dischingen (schade, wer nicht da war, hat was verpasst) mit „herzlich willkommen im Unterholz“.
Pfeffermann schafft es auch gleich, sein Publikum zu gymnastischem Mittun zu bewegen – was dem denkenden Mittun im Folgenden nicht schadete.
Pfeffermann hat erheblich was gegen Umweltschützlerei, „Wohlfühlterror“ und Naturromantik: „Natur ist im Grunde eine einzige Katastrophe“. Überhaupt polemisiert er gerne gegen leichtfertige Political Correctness: „Wir leben im modischen Biedermeier“.
Und er erregt sich gerne – über die eigene Hilflosigkeit ebenso wie über die Widrigkeiten der Welt. Er konstatiert, dass Pflanzen empfindsam reagieren können – Vegetarier töten also auch, folgert er. Und macht sich mit seinem neuzeitlichen „Überlebenstool“ auf die Jagd nach einem ihn täglich besuchenden Eichhörnchen – von irgendwas muss er ja leben. Den „inneren Wildhund“, Gegenstück zum „inneren Schweinehund“, hat er längst aktiviert.
Pfeffermann ist freilich, auch dies erfrischend altmodisch, kein pseudocooler Schwarzseher. Er packt seine zivilisationsfliehende Rahmenhandlung, in allerletzter Programm-Minute, in einen zukunftszuversichtlichen Ausblick:
Er packt den Brief seiner Freundin aus, die ihn mit Schimpftiraden in den Wald entlassen hat – und findet ein Ultraschallbild vor. Er wird also Vater – es wird weitergehen.
Die Hoffnung stirbt auch bei Björn Pfeffermann zuletzt.