Kabarettist Nepo Fitz begeisterte in der ARCHE
Neufahrn ist ein Ort, der schon dem Durchfahrenden den Gedanken aufdrängt: „Hier bleiben wir nicht.“ Das meint jedenfalls Nepomuk „Nepo“ Fitz, Kabarettist, Rock’n’Roller, Siedlungscowboy und Brunftologe in Personalunion, um nur ein paar der Persönlichkeiten zu nennen, die in seinem Programm „Brunftzeit“ eine Rolle spielten, das er am Sonntag in der ausverkauften ARCHE in Dischingen zeigte.
Neufahrn also. Da ist ein männliches Wesen einfach mal brunftbereit, aber die Sirenen teuflischer Muschgesänge heulen nicht so, wie er das will. Und das sind die Stationen im Leben eines Mannes: Schule, Beruf, Heirat, Kind, Haus, Hund, Tod, vielleicht gerade noch versehen mit den Special Options Fremdgehen, Scheidung, Neuheirat. Ansonsten eben Neufahrn. Mit Kuschelrock aus den Lautsprechern, Duftsteinen im Bad und Baden im Feng-Shui-Ozean aus Glück.
Obwohl: Was ist schon Glück? Ist Glück nicht auch das rechtzeitige Aus-dem-Staub-Machen? Wäre „Romeo und Julia“ ohne das tragische .Ende nicht einfach ein Riesenscheißdreck? Hatte Leonardo di Caprio nicht einfach das Glück zu ertrinken, bevor Kate zu ihm sagen konnte: „Jetzt komm endlich weg vom Schiffsbug, die Leut‘ schauen schon?“
Beziehung heißt neuerdings dieses bitterböse Wort, das wie ein Damoklesschwert über der Paarungsbereitschaft schwebt:
„Die Beziehung“ – ein Wort, so schön wie Ekzemsalbe, ein Wort, das bereits unschöne Visualisierungen weckt von immer gleichen Gartenzwergen in, immer gleichen Vorgärten mit immer gleichen Siedlungsordnungshütern, die den Sinn ihres Lebens im Aufspüren von Falsch-, Verkehrtherum- und Zu-weit-vom-Bordstein-Parkern sehen. Deshalb kleidet, schminkt und optimiert sich frau zum Zirkuspudel, damit sie aus ihm einen Siedlungsgorilla machen kann, der mit den Jahren einen „rechten Ranzen“ kriegt, was sie mit non-erotischem Kurzhaarschnitt ausgleicht.
Nepo Fitz, das kernige bajuwarische Energiebündel voller Sprach- und Spottlust, grantelt, schimpft und wütet, parodiert herrlich sprachgewaltig Feng-Shui-Berater Gerrit, Schwiegermutter und den volltrunkenen Schwiegervater an der Hochzeit, der ihm, dem Herrn Künstler, ja schon immer gesagt hat, irgendwann ist Schluss mit Halli-Galli. Von wegen: Für Nepo Fitz scheint es kein „Schluss“ zu geben, sein „Halli-Galli“ ist ein rasanter Pointen-Tanz-und-Gesangs-Trip auf der testosterongetränkten „Route 66“ bis hin zu den schönsten Liebesliedern wie „She’s like the wind“ oder „Hallelujah“, die jeden Mann zum Protzgesang herausfordern, wogegen sich deutsche Liebeslieder wie „Das Beste“ immer nur mit „Pro-Familia-Blick“ singen lasse.
Fitz hüpft, singt, haut in die Klaviertasten, bedient die Technik, die die Siedlungsvorgärten mit stimmigen Weisen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ untermalen, er spielt James Brown und Jerry Lee Lewis auf dem Klavier mit Verweisen auf Hansi Hinterseer, fragt sich, wie Frauen Aschenbecher so punktgenau platziert werfen können, wenn sie doch bei Bundesjugendspielen nie was gerissen haben, rebelliert wild gestikulierend gegen Springbrunnen-Konzepte und einlullende Laubbläser und überhaupt das ganze Reihenhausteufelszeug, besingt düstere Eigenheimszenen, in denen Mutti zwar mit Valium vollgepumpt, aber stets korrekt frisiert ist und tanzt in leidenschaftlichem Stakkato den Anti-Nazi-Tanz.
Und als die Zuhörer schon vor Lachen und Lauschen gar nicht mehr können, da kann der 32-Jährige immer noch, obwohl er eigentlich kein einziges Mal Luft geholt hat. Kein Zweifel: Der Sohn von Lisa Fitz – damit sei’s erwähnt, er selbst tut’s im Programm auch des Öfteren, ohne jemals Gefahr zu laufen, sich an Mutters Erfolge dranhängen zu wollen – ist eine echt bajuwarische Naturgewalt, knusprig wie eine Brez’n, ätzend wie eine Mischung aus Kren und Radi, süffig wie Weißbier und auflegend atemberaubend wie eine Wies’n-Achterbahn.
Dem wilden Ritt durch die wilde Brunft schadet das genauso wenig wie die alte Weisheit „Liebe vergeht, Hektar besteht“. Auch wenn die Hektar eben in Neufahrn liegen. „Dringend“ heißt das nächste Programm des großartigen Kabarettnachwuchses Fitz. Mit dem muss er wiederkommen. Dringend.