Kernseife hält länger


Bericht von Marita Kasischke, Heidenheimer Zeitung vom 19.02.2014 18:00 Uhr


Der Kabarettist Nils Heinrich zerbrach sich in Dischingen auch den Kopf


Bescherte dem Publikum in der ARCHE einen langen, lustigen Abend: Nils Heinrich.
Bescherte dem Publikum in der ARCHE einen langen, lustigen Abend: Nils Heinrich.

Da bot Nils Heinrich am Sonntag­abend in der fast ausverkauften ARCHE mit seinem Programm „Weiß Bescheid“ satte zwei Stunden Kabarett vom Feinsten – und als der Zuschauer den Abend schon am Ende wähnte, da gab Heinrich noch mal richtig Gas.

In der Zugabe zeigte er, dass er nicht nur Bescheid weiß über die Gegenwart, in der ein Stück Kernseife längere Haltbarkeit hat als das neue Smartphone-Modell, sondern auch über die Zukunft, 2027 nämlich, so seine Prognose, wird der Berliner Flughafen, auf dem jetzt eine wellnesstaugliche Ruhe herrscht und pro Monat rund ein Bischofssitz in Limburg verbraten wird, zum Weltkulturerbe erklärt, ohne im Gegensatz zur Akropolis jemals in Betrieb genommen worden zu sein.

Zuvor wird Til Schweiger noch als Tatort-Kommissar entlassen, um Kapitän des „Traumschiffs“ zu werden. 2023 gibt Helmut Schmidt erneut ein Buch heraus: „Meine nervigen Nachmittage mit Sandra Maischberger“. 2025 wird es statt Vornamen nur noch eine Kombination aus PIN, TAN und Passwort geben und auf RTL wird man im Dschungelcamp nicht mehr König, sondern der erstmals direkt gewählte Papst. In dem Schuhschrank eines Rentners wird das Bernsteinzimmer entdeckt und in Schweizer Beichtstühlen werden bei deutschen Kunden parallel CDs gebrannt.

Arbeitgeber verleihen ihre Arbeitnehmer an die Agentur für Arbeit, die sie ihrerseits an Zeitarbeitsfirmen verleihen, die sie wiederum den bisherigen Arbeitge­bern zur Verfügung stellen. Die NSA hat endlich Grönemeyers Texte entschlüsselt, der Euro wird abgeschafft und die neue Währung wird der „Pfubel“, eine Mischung aus Pfund und Rubel, was Angela Merkel dank eines genialen Ablenkungsmanövers gelingt: Sie veröffentlicht ihre Badefotos. Und schließlich wird die Erde umbenannt in 02-World. Mit diesem Vorhersagengewitter sanken die Zuschauer in der ARCHE dann   vollends zwerchfellgeschwächt auf ihren Sitzen nieder. Auch zuvor mit seinen Gegenwarts- und Vergangenheitsbetrachtungen hatte der aus dem Harz stammende 42-jahrige Heinrich weder Zwerchfell noch Lachmuskeln geschont, wenn er beispielsweise über seine DDR-Vergangenheit philosophierte: „Immer abgehört zu werden, das ist nicht schön“ oder darüber, wie wohl der Papst, seinerzeit noch Benedikt, sich gefühlt haben mag, als er bei seinem Berlinbesuch einer geschiedenen protestantischen Bundeskanzlerin, einem geschiedenen katholischen Bundespräsidenten sowie dem homosexuellen Außenminister und dem homosexuellen Oberbürgermeister gegenüberstand: „Wahrscheinlich wie daheim“, mutmaßte Nils Heinrich, der dann und wann zur (aus dem Innenleben eines DDR-Linienbusses zusammengebasteltcn) Gitarre griff, um ein „Lied für die Schweiz“ zu sin­gen oder über „twitternde Teenies und whatsappende Mädchen“ zu singen.

Nur einmal, da stand die Stimmung kurz mal auf der Kippe: Niemals darf ein „Reingeschmeckter“, auch wenn er noch so lange in Stuttgart („Meteoriteneinschlag mit Beton ausgegossen – fertig war Stuttgart“) gewohnt haben mag, Spätzle als „tote kleine dicke Maden“ bezeichnen. Da geschah es ihm ganz recht, dass er, der Kartoffelfreak, in Stuttgart nirgends Salzkartoffeln auf den Tisch bekam. „Die machen einfach zu wenig Arbeit“, so Heinrichs Theorie über die Allgegenwart des niedlichen Nudelgerichts, das sogar in Maultaschenteig  gehüllt  angetroffen werden kann.

Eigentlich hört beim Schwaben, der durchaus Spätzle zum Weltkulturerbe erklären würde, angesichts solcher Spätzlesverachtung der Spaß auf, doch Nils Heinrich riet dazu, doch einfach eine Online-Petition zu starten Und machte munter weiter in seinem Programm, das den Zuschauern zwar einen langen Abend, aber auch geistreiches Vergnügen bescherte.

So was kommt also dabei heraus, wenn Vorsitzende Inge Grein-Feil nächtens fernsieht: „Den will ich haben“, beschloss sie beim Anblick Nils Heinrichs, der zugab, einer solchen Aussage als Mann nicht widerstehen zu können. Fernsehen lohnt sich also doch, obwohl, so Nils Heinrich, Fernsehredakteure niemals fernsehen. Ein Kammerjäger nimmt ja schließlich auch kein Rattengift.