Simon Pearce bot in der ARCHE Einblicke in das Leben eines Schwarzen am Weißwurst-Äquator
„Wie man vielleicht schon am Dialekt hören kann, bin ich ein Neger“, bemerkte Kabarettist Simon Pearce, der am Sonntagabend mit seinem Programm „Allein unter Schwarzen“ in Dischingen gastierte und mal in urbayerisch, mal in grammatikalisch korrektem Hochdeutsch und mit viel Selbstironie aus seinem Leben als Schwarzer am Weißwurstäquator erzählte, zu Beginn der Veranstaltung. „Aber ein wunderbarer Neger“, setzte der Münchner hinterher und spielte damit auf den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann und dessen Äußerung zu Roberto Blanco in einer TV-Talkshow an.
Schon hatte Pearce die Lacher in der bis auf wenige Plätze fast voll besetzten Arche auf seiner Seite und erfüllte damit auch die Prognose Inge Grein-Feils, die bereits zu Beginn des Programms versprochen hatte: „Ich sehe für den Abend nicht schwarz“ – auch wenn Dischingen durch zahlreiche Umleitungen geradezu hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt sei, was vielen die Anfahrt wohl deutlich erschwert habe.
Pearce, der als Sohn eines Nigerianers und einer bayerischen Volksschauspielerin in Puchheim bei München aufgewachsen ist, kam schon früh in Kontakt mit Vorurteilen und dem Gefühl, einfach anders zu sein. „Ich habe saulang gebraucht, um Freunde zu finden“, sagt der Kabarettist. In der Schule seien oft keine Brücken, sondern Mauern gebaut worden.
Pearce schafft es, das Publikum mit seinen Ausführungen zum Lachen zu bringen, schlägt aber auch die Brücke zu einem Thema, das heute aktueller ist denn je. Dennoch ist auch der Kabarettist nicht gegen Verallgemeinerungen gefeit:
So spiele man in Bayern statt Fußball und Völkerball im Grundschulsportunterricht vier Jahre lang „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“. Freilich gesteht Pearce im Verlauf des Programms dann auch zu: „Ich übertreibe vielleicht ein bisschen, aber nur ein klitzekleines bisschen.“
Am Puchheimer Wertstoffhof findet Simon Pearce dann seinen ersten richtigen Freund in Kurti, einem „Bayern wie aus dem Bilderbuch“ – mit einem Bauch, auf dem man sein Bier abstellen kann. Der aber lässt ihn auch erkennen, dass der Schwarze eben nur solange ein Neger ist, bis er ein Gesicht bekommt. Denn Kurti schimpft auf „das ganze ‚Gschmeis’“, das bei uns reinschwirre, „Kanaken, Neger, Muslime“, bis Pearce ihn darauf aufmerksam macht, dass auch seine Haut ja nicht milchweiß sei und er als Antwort bekommt: „Aber Simon, Du bist doch koa richtiger Neger!“
Auf der Suche nach Identität bewegt sich Pearce zwischen Gymnasialfreunden und „Hardcore-Gangstern“, bis er beschließt: „Fahr‘ in die große Stadt und lass Dich bleichen.“ Im Zug nach München aber sitzt eine „135-Jährige“, die ihm über das krause Haar streicht und seufzt:
„Mei, wie a Schaf“, bis Kabarettist Pearce sie am Hals „packt“ und entgegnet: „Mei, wie a Truthahn“.
Bleichen lässt sich Pearce nicht, doch nach einer Begegnung mit Skinheads beschließt der Bayer, er müsse weg aus Puchheim, rein in die Weltstadt mit Herz, die Multikultimetropole München. Dort trifft er dann, gerade in das 25-Quadratmeter-Schnäppchen für 700 Euro monatlich gezogen, auf „eine bärtige Lady“ als Nachbarin, deren Feststellung „Wir sind hier fei nicht im Urwald“ er mit einer Einladung zum Essen im Bastrock quittiert.
Ausführlich beschreibt Pearce seine Erfahrungen mit der Münchner Polizei, die ihm des öfteren das Gefühl gegeben habe, „ein Präsident auf Staatsbesuch ohne Eskorte“ zu sein, erzählt aber auch von „Übergutmenschen“, die ihm gegenüber bemerken, sie seien, mit blauen Flecken oder grün wegen Übelkeit, doch deutlich farbiger als er. Und die auf der Suche nach möglichst schonenden Bezeichnungen für seine Hautfarbe auf die abstrusesten Ideen kommen, wie: „Schwarz ist doch keine Farbe, Du bist doch ein Maximalpigmentierter.“
Auch ist Pearce eines aufgefallen: „Für die Weißen sehen, wir Schwarzen doch alle gleich aus“. Und führte auch gleich an, warum. So habe ihn in der VIP-Lounge des TSV 1860 München ein älteres Pärchen angegrinst: „San Sesscho? Hob Is doch gsagt, der Breno.“ Statt auf dem Fußball-Spielfeld aber ist Pearce, dem seine Schauspielausbildung auch als Kabarettist deutlich anzumerken ist, inzwischen vor der Kamera und auf Theaterbühnen anzutreffen.
Und so bleibt die Bühne in der Dischinger „Arche“ sicherlich nicht die einzige, auf der Pearce am Ende feststellen muss: „München ist doch auch nur ein Dorf, durch das eine U-Bahn fährt.“