Schneller Besucher aus Köln-Nippes: Heinrich Pachls sehr bedachtes, aber absolut unbedächtiges Kabarett in der Arche
Dieser 66jährige ist ein ganz Fixer: mit der Zunge. Im Kopf. Im Auftischen von Episödchen wie von Pointen. Heinrich Pachl gastierte mit seinem aktuellen und doch die gesamte „Geschichte“ der BRD bedenkenden Programm „Die Spur der Scheine“ in der ARCHE. Er kam um wenige Minuten nach eigentlichem Beginn („die Bahn!“) und musste, ohne Zugabe, was er selber bedauerte (und dafür versprach, wiederzukommen – „wenn die Wiesen grün sind und ich hier mein Zelt aufschlagen kann“), nach zwei Stunden wieder davon hetzen („die Bahn!“). Ein erfahrener, doch erfrischend unroutinierter Profi. Er wird sich das „Mehdorn-Müsli“ bei der Rückfahrt nach Köln, mit grimmen Grinsen, genossen haben. Sein ARCHE-Vesper nämlich hat er vergessen.
Mit irrwitzigem Tempo und aberwitzigen Pointen strudelt und sprudelt der mehrfach preisgekrönte Kabarettist seine Sätze ab. Der Mann besitzt großen Sprachwitz: Da wird „gepatenschaftet“, Johannes Rau errichtet einen „Laber-Limes“, da verdienen einige immer noch „bessererer“, und wer kein Mehrverdiener ist, hat eben nicht mehr verdient. Und Pachl unterscheidet herzhaft zwischen „Bio-“ und „Mio-Möhrchen“, auch und gerade hier in „Braten-Würstenberg“.
Und dazu kommt noch sein stupender Sprechwitz: Er akzentuiert und verfremdet und betont. Allein die Aussprache von Namen wird zum Vergnügen; Ministerpräsident „Wulff“ kläfft er leit-wolfmäßig ins Publikum. Oder „Bsirske“. Oder wenn er sich eine „Mopsfledermaus“ auf der Zunge zergehen lässt.
Also, schon das „Wie“ ist bei Pachl das reine, sperrfeuermäßig evozierte Vergnügen. Aber das „Was“ steht dahinter nicht zurück: Natürlich, das gibt ja schon der Titel vor, geht es ihm um die Banken- und die Wirtschaftskrise. Und an Deutlichkeit lassen seine Bezeichnungen da nicht zu wünschen übrig. So verweist er auf „Davos – davos die Verbrecher sich getroffen haben“. Er erwähnt die Automanager, die in ihren Privatjets „getrennt fliegen, aber gemeinsam betteln“ – und „unsere Milliarden“ abkassieren.
Und dann sind es immer wieder die Politiker, die er karikiert und aufspießt. Nicht bösartig, aber doch mit sadistischer Lust an pointenhaften Treffern. „Peer S-teinbrück“ ist für ihn eine „Kombination aus Frettchen und Kampfkaninchen“, Kurt Beck eine „charismatische Mischung aus Frikadelle und Pustekuchen“. Und natürlich erfährt auch die „Kanzlerin“ (einstiger Fehltritt Kohls in der „Täterä“?) spitze Zuwendung. Parteiisch ist Pachl schon, parteilich nicht – auch wenn er sicher ist, dass die SPD in 200 Jahren heilig gesprochen wird.
Was hier in rascher Aufzählung vielleicht ein wenig flach wirkt, ist im zweistündigen Vortrag aber mit viel Esprit und Wissen hinterlegt. Und ganz ehrlich: Nicht jeder Besucher der ARCHE wird von sich behaupten können, im raschen Vorbeifluss jede Pointe verstanden zu haben. Man wünscht sich, gelegentlich die Stopptaste drücken zu können, um manchen Sätzen, die es in sich haben, aufmerksam hinterher hören zu können. Aber unerbittlich werden die eher verborgenen Feinheiten vom temporeichen Redefluss weggedrückt.
Dabei ist Pachl kein Rasch-Rezitator eigener Sätze. Auch extemporieren kann er gut. Aber sein Vortrag wird gestisch wie mimisch wirkungsvoll potenziert. Kaum einen Moment vermag er ruhig zu stehen auf der Bühne. Das ist keine künstliche Hast, das feinnervig sinngespickte Tempo als Stilprinzip.
Da pachlt einer ebenso powervoll wie patent durch politgetränkte Pointen.