Stephan Bauer mit frischem Programm in der ARCHE
Stephan Bauer ist, nun ja, ein Possenreißer und Witzeerzähler. Bemerkenswert aber ist seine hohe Pointendichte und -durchschlagskraft, mit der er den wochenlang vorher schon ausverkauften Saal der ARCHE immer wieder zum Kringeln brachte.
Gut, das ist Handwerk; doch nicht ohne Augenzwinkern bezeichnet sich Bauer in seinem gerade mal zwei Wochen frischen Programm „Warum heiraten – Leasen tut’s auch“ mehrfach als „Künstler“. Und das gar nicht einmal zu Unrecht, denn mit seinen in hoher Geschwindigkeit aufeinander folgenden Pointen betreibt er nicht weniger als eine Art Archäologie des bundesdeutschen Alltags. Der 42-jährige Kabarettist wirft viele und helle Schlaglichter auf die geistigen und emotionalen Befindlichkeiten des „neuen deutschen Mannes“.
Der ist, Gemeinplatz mittlerweile, ja eher ein „Loser“ – doch es bei diesem Erkenntnisstand zu belassen, wäre dem Dischinger Publikumsmagneten (Bauer war am Sonntag zum dritten Mal da) viel zu platt. Obgleich: Vor Plattheiten und Anzüglichkeiten hat Bauer keine Scheu, er geht gerne weit – um unmittelbar vor der Grenze zur zotigen Geschmacklosigkeit dann doch zu stoppen.
Aber: Bauer denkt wirkungsbezogen. Als kabarettistischer Unterhalter – und als „Mann“. Denn in seinem neuen Programm ist er ein 40-Jähriger, der eigentlich ein Traumlos gezogen hat: Seine Freundin Sina ist 25 Jahre alt, ausgesprochen rassig – aber eben, als „neue deutsche Frau“, auch sehr selbstbewusst und fordernd.
Der 15 Jahre ältere „Stephan Bauer“ (über die Fiktionalität des Programms sollte man sich nicht täuschen) kriegt das beständig zu spüren: Im Dialog wie in Gesellschaft – oder eben, klar, auch im Bett. „Ich fühle mich arm und alt, dick und hässlich“, sagt er und reiht sich, wie die meisten seiner Bekannten, der zeitgemäßen oder zumindest zeitgeistgemäßen Fraktion der „Sanftmütigen“ ein.
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Nicht weniger als ein Kultur- und Sittenbild einer neuen deutschen Partnerschaft also zeichnet Bauer. Er tut das ganz ohne Requisiten, quasi dozierend – indem er eben eine unglaubliche Vielzahl von Mikrohumoresken aneinander reiht. Die in eine stimmige, programmstiftende Reihung zu bringen, ist Bauers spezifische Kunstform – die gelingt ihm famos.
Dabei kann er auch herrlich despektierlich und makaber sein, etwa wenn er berichtet von einem Greis, der nach einem letzten Beischlafversuch ausdrücklich eine Einäscherung wünscht – „damit sein Blut ein letztes Mal zum Kochen kommt“.
„Ich stehe total zu meiner Beschränktheit“, konstatiert Bauer scheinbar einsichtsvoll, um dann doch konsterniert zu sein, als seine rassige Sina auf seinen Vorwurf, sie schaue laufend Kochshows und könne doch nicht kochen, ihm forsch entgegnet: „Du guckst doch auch immer Pornos . . .“
Ein deutscher Mann reflektiert seine neue Rolle mit viel (auch selbstbezüglichem) Witz und ohne alle Weinerlichkeit. Man(n) hat’s längst nimmer leicht in Mitteleuropa – Bauer schlägt daraus pointenreich Kapital. Keine Sekunde langweilig war sein über zweistündiges postmaskulines Befindlichkeits-Protokoll.
Und er versprach am Ende, wieder mal nach Dischingen zu kommen – und gab gleich Ausblicke auf dann mögliche Szenarien („die Akropolis verkauft in den Europapark Rust“). Ziemlich wahrscheinlich, dass dann auch wieder ausverkauft sein wird.